Kommentar Auf keinem Auge blind
Meinung | Wuppertal · Das Kölner Verwaltungsgericht hat dem Bundesamt für Verfassungsschutz erlaubt, die AfD als Verdachtsfall einzustufen. Das ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.
Angesichts von Pandemie und Impfstoff-Krisenmanagement ist die Nachricht aus Köln am späten Mittwoch zur Fußnote geworden. Dabei ist es vielerlei Hinsicht bemerkenswert, dass das Kölner Verwaltungsgericht dem Bundesamt für Verfassungsschutz erlaubt, die AfD als Verdachtsfall einzustufen.
Es geht um rechtsextremistische Tendenzen und Bestrebungen, von denen die Verfassungsschützer wissen wollen, ob sie in der Partei „Alternative für Deutschland“ gefährlich und staatsgefährdend verbreitet sind.
Grund zu dieser Annahme gibt es reichlich. Da ist nicht nur der unüberhörbar rechtsextreme „Flügel“, in dem bis zu 7000 Parteimitglieder organisiert gewesen sein sollen, das sind einflussreiche Parteivertreter wie Björn Hoecke und der mittlerweile ausgeschlossene Andreas Kalbitz, die vor allem in Teilen Ostdeutschlands die Lufthoheit über den Stammtischen erobert haben.
Auch tatsächlich oder vermeintlich gemäßigte Vertreter der AfD haben es beispielsweise im Bundestag nicht immer vermocht, sich von rechtem Gedankengut abzugrenzen. Die intellektuelle Minderleistung des Fraktionsschefs Alexander Gauland mit seinem „Vogelschiss“-Vergleich der Nazi-Diktatur ist entlarvend. Marco Wanderwitz, der Ostbeauftragte der Bundesregierung, hat zuletzt noch eine andere Auswirkung der AfD gestgestellt.
Demnach ist die Ausbreitung des Corona-Virus dort außergewöhnlich stark, wo auch die AfD viele Anhänger hat. Dass die Partei im Bundestag ebenso pubertär wie provokant gegen die Maskenpflicht aufbegehrte, ist immer noch Wasser auf die Mühlen von Corona-Leugnern und sogenannten Querdenkern.
Es gibt mithin gute Gründe, die AfD und ihre Funktionäre in Augenschein zu nehmen. Ebenso gute Gründe sprechen dafür, das gerade in einem Wahljahr zügig, unaufgeregt und ohne Wasserstandsmeldungen zu tun.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist für den Schutz der Grundfesten dieses Staates zuständig, nicht für die Entscheidung darüber, welche Partei dem nächsten Bundestag angehört. Deshalb ist es wohltuend, dass der noch neue Präsident der Behörde, Thomas Haldenwang, sein Amt sehr bestimmt, aber auch sehr zurückhaltend ausübt.
Das unterscheidet ihn von seinem Vorgänger Hans-Georg Maaßen und erzeugt den Eindruck, dass die deutschen Verfassungsschützer auf dem rechten Auge heute genauso gut sehen wie auf dem linken.