Meinung Kein Fahrverbot bedeutet nicht, dass alles gut läuft

Meinung · Dass die Luft in vielen Städten so belastet ist, hat entscheidend mit dem Nichtstun der Politik und der Ignoranz der Industrie zu tun. Was zu tun ist, weiß inzwischen jeder, aber die Umsetzung lässt auf sich warten.

Rolf Eckers.

Foto: Sergej Lepke

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat ein kluges Urteil gesprochen. Nein, es ergibt keinen Sinn, bei geringer Überschreitung des Grenzwertes Fahrverbote zu verhängen, wenn absehbar ist, dass die Zielmarke wenige Monate später erreicht wird. In vielen deutschen Städten ist das der Fall. Insbesondere die Umrüstung der Busflotten zeigt Wirkung. Fahrverbote für ältere Diesel-Pkw wären in diesen Kommunen unverhältnismäßig. Anders sieht es aber dort aus, wo der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) um zehn oder noch mehr Prozent überschritten wird, zum Beispiel in Düsseldorf und Köln. Fahrverbote sind dann eine Art Notwehr, weil bessere Luft in kurzer Zeit nicht zu erreichen ist.

Der Richterspruch bedeutet für sehr viele Dieselfahrer in diesem Land, dass sie nicht von gesperrten Straßen oder Umweltzonen behindert werden. Ein Sieg der Politik oder gar der Autobauer ist das Ganze aber keineswegs. Dass die Luft in vielen Städten so belastet ist, hat entscheidend mit dem Nichtstun der Politik und der Ignoranz der Industrie zu tun. Hand in Hand haben sie den seit 2010 EU-weit gültigen Grenzwert für NO2 missachtet. Wie schlecht es um die Luftreinhaltung in Deutschland steht, hat die Wissenschaftsakademie Leopoldina jüngst nachgewiesen. In der wichtigsten Studie zu diesem Thema mahnen die Fachleute eine grundlegende Verkehrswende an, fordern das Zurückdrängen der individuellen Mobilität. Kraftstoff verteuern, höhere Steuern und Abgaben für Autos, mehr Geld für Erhalt und Ausbau der Schiene – was zu tun ist, weiß inzwischen jeder, aber die Umsetzung lässt auf sich warten.

Spannend ist, wie sich die Wissenschaftler zu Verbrennungsmotoren positionieren. Sie warnen davor, die Dieselflotte durch Benziner zu ersetzen, weil das zu höheren CO2-Emissionen führt. Hardware-Nachrüstungen seien der bessere Weg, um die Diesel-Pkw und damit die Luft sauberer zu machen. Gleichzeitig stellt die Studie Benzinmotoren mit Direkteinspritzung ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Durch den Verbrennungsprozess entstehen sehr kleine Feinstaubpartikel, die Krebs auslösen können. Verhindern lassen sich diese Emissionen durch Partikelfilter, die in Deutschland aber erst seit September 2018 für neu zugelassene Wagen verpflichtend sind. Das heißt: Bei Millionen Benzinern mit Direkteinspritzung wäre eine verpflichtende Filter-Nachrüstung ebenso sinnvoll wie bei den Diesel-Pkw. Diesen Weg traut sich die Politik aber nicht zu gehen. Auf Basis des OVG-Urteils wird es weniger Fahrverbote geben – aber auch weniger freiwillige Pkw-Nachrüstungen.