Meinung SPD-Vorsitz: Das schlimmste Amt nach dem Papst
Meinung · Früher haben sie sich regelrecht gebalgt um den SPD-Vorsitz und dafür sogar schon mal geputscht. Es war ja auch „das schönste Amt nach Papst“, wie Franz Müntefering vor 15 Jahren sagte. Und die Eintrittskarte zur Kanzlerkandidatur. Heute heißt es: Bloß nicht das.
Die Bewerberlage um die Nachfolge der nach Hause geflohenen Andrea Nahles ist gelinde gesagt übersichtlich. Es gibt zwar Interessenten, nette Leute wie Michael Roth oder Karl Lauterbach, die im Tandem mit jeweils noch unbekannteren Politikerinnen antreten wollen. Aber: Mit Verlaub, das ist nicht das Niveau, das eine Noch-Volkspartei anbieten darf.
Unerfahren in Führungsfragen, ohne großen Rückhalt in der Partei und ohne Bekanntheit im Volk. Dass die zuvor ebenfalls unbekannten Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock Superstars geworden sind, ist da kein Gegenbeweis. Die Grünen surfen auf einer Zustimmungswelle, während ein SPD-Hype eher nicht zu erwarten ist.
Das Fehlen jeglicher Bewerbung aus der ersten Reihe, also Bundesminister, Ministerpräsidenten oder Anführer von Parteiflügeln, enthält eine höchst negative Botschaft. Sie lautet: Keiner aus dieser Ebene glaubt noch daran, dass die SPD in absehbarer Zeit überhaupt in die Nähe der Kanzlerschaft kommt. Und dafür, dass man da doch nichts wird, ist dieser Job viel zu mühselig – und gefährlich. „Oh Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen“.
Man sieht förmlich, wie sie alle beten und hoffen, in den schon ergatterten Ämtern so lange wie möglich über die Runden zu kommen und nicht auf diesen Schleudersitz zu müssen.
Das kommissarisch amtierende Triumvirat hat sich gleich selbst rausgezogen. Thorsten Schäfer-Gümbel ist froh über seinen Top-Job in der Entwicklungshilfe, Manuela Schwesig will nicht ihren schönen Ministerpräsidentinnen-Stuhl gefährden. Nur Malu Dreyers Krankheit kann man als Grund wirklich akzeptieren. Stefan Weil, derzeit in Niedersachsen Ministerpräsident, sagt, nur in einer „theoretisch denkbar geringen Prozenthöhe“ werde er antreten. Heißt: Wenn es absolut kein anderer machen will.
Auch keiner der Bundesminister zeigt Interesse. Es ist wie am Ende einer Party, wenn man fragt, wer mit aufräumt. Plötzlich sind alle weg. Kevin Kühnert ist abgetaucht.
Das Zögern der Parteieliten beschädigt den Ruf der Sozialdemokratie schon jetzt, sofern das überhaupt noch geht. Mit jedem Tag mehr entsteht der Eindruck, dass das eigene Spitzenpersonal die SPD nicht mehr mag.
Wenn die schon nicht, warum dann die Wähler?