Meinung Merkels Rückzug ist für die SPD ein Licht in der Krise
Meinung · Ja, es steht denkbar schlecht um die Sozialdemokraten. Wahlverluste in Serie, blasses Personal, programmatische Leerstellen. Aber wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt bekanntlich von irgendwo ein Lichtlein her.
Angezündet wurde es am Montag in der Berliner CDU-Zentrale. Seitdem ist Angela Merkel eine Kanzlerin auf Abruf. Als CDU-Vorsitzende sowieso. Ist es nicht das, was sich die meisten Genossen in den letzten Jahren immer gewünscht haben?
Gegen Merkel kriegen wir kein Bein auf die Erde, können wir einen eigenen Kanzler glatt vergessen. Derlei Resignation hinter vorgehaltener Hand war Allgemeingut in der SPD. Nun, da Merkel im Begriff ist, das politische Feld zu räumen, will jedoch auch keine Freude aufkommen. So tief verschüttet ist dort mittlerweile das kollektive Selbstbewusstsein. Dabei kann Merkels Entschluss durchaus zur Chance für die krisengeschüttelten Sozialdemokraten werden.
Wichtigste Voraussetzung dafür ist allerdings eine Klärung ihrer inhaltlichen Vieldeutigkeiten. Die Rahmenbedingung dafür haben sich insofern verbessert, als dass in den kommenden Wochen und Monaten alle Scheinwerfer auf die Union gerichtet sind. Und Wahlen stehen nicht an. Zwar beklagt die SPD immer wieder, nicht mehr recht wahrgenommen zu werden. Aber in einer Phase inhaltlicher Selbstfindung muss das kein Fehler sein. Denn allzu oft werden notwendige Debatten in der Öffentlichkeit als Streit diffamiert.
Konkret muss sich die SPD über ihre Flüchtlingspolitik klar werden. Es genügt nicht, sich in diesem Zusammenhang ständig an Horst Seehofer und der CSU zu reiben. Die Partei muss selbst konkret sagen, wie sie es zum Beispiel mit schnellen Abschiebungen von Straftätern oder unberechtigt nach Deutschland gekommenen Migranten hält.
Ebenso zentral ist die Agenda 2010, über die man von tiefer Scham bis zum verdrucksten Lob alles im Angebot hat. Soviel Geschwurbel versteht kein Mensch. Auch hier fehlt eine klare Haltung. Was soll nach Hartz IV kommen?
Mag sein, dass der Bestand der großen Koalition durch Merkels Rückzug auf Raten ungewisser geworden ist. Aber die SPD muss nicht das Geschäft der Union besorgen. Wenn der linke Parteiflügel weiter gegen Schwarz-Rot stänkert, dann ist er nicht besser als CSU-Chef Seehofer mit seinem Torpedierungskurs, den die Partei-Linke kurioserweise auch beklagt.
Immerhin gab es bei den Sozialdemokraten eine Basisbefragung, in der sich glatt zwei Drittel der Genossen für eine Fortsetzung der Regierung mit der Union aussprachen. Soviel demokratische Meinungsfindung sollten endlich auch die Groko-Gegner in der SPD akzeptieren. Zumal es eben kein politisches Naturgesetz ist, dass in einer Koalition stets nur die Partei zulegt, die den Regierungschef stellt. In Hessen jedenfalls haben die Grünen das Gegenteil bewiesen. Weil Personal und Programm stimmten. Und weil sie mit sich im Reinen sind. Noch so ein Lichtlein, an dem die SPD sich wärmen könnte.