Mindestlohn ist nicht gleich Mindestlohn
Die Debatte um Lohnuntergrenzen gewinnt an Fahrt
Zumindest einen Sieg hat der nicht immer glücklich agierende SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schon erreicht. Mit seinem Plan, seinen Wahlkampf unter das Motto Gerechtigkeit zu stellen, hat er seine Gegner nervös gemacht. Die Angst, dass der in Umfragen weit Abgeschlagene dank dieses Themas entscheidend aufholen könnte, zeigt Wirkung.
Die Union hat sich bereits für den Mindestlohn geöffnet. Nur die FDP wollte nicht, wurde deshalb sogar von der Kanzlerin gerüffelt. Doch jetzt bewegen sich auch die Liberalen. Wobei es sich weniger um einen Überzeugungswechsel handelt, sondern um die Furcht, politisch ins Abseits zu geraten. Denn je näher der Wahltermin rückt, desto weniger Rücksicht werden Merkel & Co. auf den kleineren Partner nehmen.
Um nicht als Umfaller zu erscheinen, greift die FDP nach argumentativen Strohhalmen. Wenn Ex-FDP-Chef Guido Westerwelle ausgerechnet mit der schon immer geforderten Leistungsgerechtigkeit pro Mindestlohn argumentiert, ist das nur bedingt nachzuvollziehen. Und wenn Fraktionsvize Martin Lindner als Gegenleistung für den Mindestlohn den Solidaritätszuschlag teilweise abschaffen will, erschließt sich der Zusammenhang zwischen diesen beiden Themenfeldern nur bedingt.
Andere Differenzierungen hingegen sind sinnvoll. Denn Mindestlohn ist nicht gleich Mindestlohn. Und wenn sich Union und FDP wirklich auf ihn einlassen, würde das bei ihnen keine hemmungslose Gleichmacherei bedeuten, die jeden Leistungsanreiz schluckt. Sie wollen darauf achten, dass Unterschiede zwischen Branchen und Regionen berücksichtigt werden. Vor allem sollen so weit wie möglich Tarifparteien — und nicht Politiker — die jeweiligen Untergrenzen der Bezahlung finden.
Hoffentlich weicht der in Wahlkämpfen gerne eingesetzte Populismus bei der derzeitigen Koalition diese Haltung nicht noch auf. Denn ein zu hoher Mindestlohn wäre — so sehr er jedem Empfänger persönlich zu wünschen wäre — aus Wettbewerbsgründen Gift für den Wirtschaftsstandort. Langfristig wäre damit niemandem gedient. Andererseits sollte auch jeder, der in Vollzeit arbeitet, von seinem Einkommen leben können. Hier den richtigen Mittelweg zu finden, wird sehr, sehr schwer.