Kommentar Gute Karten für Diesel-Fahrer

Meinung | Berlin · Dieser Prozess dürfte Rechtsgeschichte schreiben:

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Erstmals beschäftigen sich deutsche Richter im Rahmen einer Musterfeststellungsklage mit möglichen Schadenersatzansprüchen gegen den VW-Konzern. Lange Zeit haben Verbraucherschützer dafür gekämpft, dass Konsumenten gemeinsam gegen große Unternehmen vorgehen können und sich dazu von einem Interessenverband vertreten lassen. Denn als Einzelkämpfer sein Recht gegen Heerscharen gut bezahlter Anwälte eines Konzerns durchsetzen zu wollen und das hohe Risiko der Niederlage einzugehen, war in der Vergangenheit für die allermeisten eine abschreckende Vorstellung gewesen. Das entsprechende Bundesgesetz ist auch erst im November des vergangenen Jahres in Kraft getreten. Nun bringt es viele vom Diesel-Skandal betroffene Pkw-Besitzer gewissermaßen auf Augenhöhe mit einem Unternehmen, das sich in Deutschland bis vor kurzem noch für unantastbar hielt. Immerhin weit mehr als 400.000 Personen haben sich in das Klageregister eingetragen. Mit einer solch hohen Zahl hatten selbst Verbraucherschützer nicht gerechnet.

Stefan Vetter

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Im Gegenzug sorgt das Ganze nun allerdings auch für riesige Erwartungen. Die Betroffenen müssen sich jedenfalls gleich doppelt geprellt fühlen: Nicht nur, dass ihre Fahrzeuge im Zuge der Enthüllungen um VW erheblich an Wert verloren haben. Ihnen drohen auch verstärkt Fahrverbote, weil sich viele Städte nicht anders zu helfen wissen, um die EU-Grenzwerte bei Luftschadstoffen einzuhalten. Der Prozessauftakt hat allerdings schon gezeigt, dass sich potenziell Geschädigte in Geduld üben sollten. Wegen der komplexen Materie könnte sich das Verfahren über Jahre hinziehen und bis zum Bundesgerichtshof gehen. Anders als bei vergleichbaren Prozessen etwa in den USA würden die Richter in Deutschland auch „nur“ feststellen, ob grundsätzlich Schadensersatzanspruch besteht. Danach müssen Geschädigte ihre Ansprüche noch individuell durchsetzen. Nach einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage dürfte das aber deutlich einfacher werden.

Überhaupt haben die Kläger ziemlich gute Karten. Zum einen wurde der VW-Konzern bereits von mehreren Gerichten zur Rücknahme manipulierter Diesel-Autos verurteilt. Zum anderen besteht immer noch die Möglichkeit eines juristischen Vergleichs, der die Sache erheblich abkürzen würde. Und zum Dritten war es kein geringerer als VW-Chef Herbert Diess, der im Zusammenhang mit den manipulierten Abgaswerten von „Betrug“ gesprochen hatte. Wenn schon der VW-Chef öffentlich eine Schuld seines Unternehmens einräumt, warum sollte das Oberlandesgericht Braunschweig am Ende so viel anders darüber denken?