Neue Debatte um eine kommunale Sperrklausel Politik muss Vielfalt aushalten können
Es gibt gute Gründe, die für eine Drei-Prozent-Hürde in kommunalen Parlamenten sprechen. Die Zersplitterung der Stadt- und Gemeinderäte führt zu Marathonsitzungen, weil eine wachsende Zahl von Fraktionen und Fraktionslosen das Wort ergreifen wollen.
Im Bochumer Stadtrat müssen inzwischen 13 Haushaltsreden angehört werden, bis ein Beschluss in greifbare Nähe rückt. In Dortmund, wo bereits ein Stimmanteil von 0,6 Prozent ausreicht, um in den Stadtrat einzuziehen, ist drei rechten Gruppierungen der Einzug gelungen.
Doch rechtfertigt das alles die Wiedereinführung der Sperrklausel? Juristisch betrachtet dürfte dies schwierig sein. Das Landesverfassungsgericht hat 1999 die bis dahin geltende Fünf-Prozent-Hürde gekippt. 2008 kassierten die Richter erneut eine deutlich niedriger angesetzte Hürde. Ein wiederkehrendes Argument: Die Chancengleichheit der Parteien und Wählerinitiativen sei ein hohes Gut und dürfte nur eingeschränkt werden, wenn die Parlamente nicht oder kaum mehr arbeitsfähig seien.
Um letzteres zu belegen, reicht es wohl kaum aus, die persönlichen Einschätzungen von Bürgermeistern zu zitieren. Zumal die Stadtoberhäupter häufig etablierten Parteien angehören und ein persönliches Interesse daran haben könnten, die aus ihrer Sicht weniger professionellen Einzelkämpfer auszugrenzen.
Konkrete Belege über nicht zustande gekommene Ratsbeschlüsse und langfristig ausstehende Personalentscheidungen wären da sicherlich stichhaltigere Belege für eine massive Beeinträchtigung der politischen Handlungsfähigkeit.
Doch diese Frage hat auch eine gesellschaftliche Komponente. Ist es in Zeiten von Wahlverdruss und Politikmüdigkeit wirklich hilfreich, kleinen Wählerinitiativen den Wind aus den Segeln zu nehmen? Politische Partizipation fokussiert sich heutzutage eben nicht mehr auf die etablierten Parteien. Es kommt sogar vor, dass sich Gruppen speziell aufgrund aktueller kommunaler Streitthemen bilden, und letztlich nur eine Zeit lang aktiv sind — damit sollte Politik umgehen können, bevor sie willentlich bereit ist, mehrere tausend Wählerstimmen pro Kommunalwahl einer Prozent-Hürde zu opfern.