So weit reicht die Macht der USA nicht mehr
Lothar Leuschen kommentiert die Verhaftung von Julian Assange und die Zukunft von Wikileaks.
Das Versteckspiel hat ein Ende. Die britische Polizei vollstreckte am Dienstag den internationalen Haftbefehl gegen Julian Assange. Schweden hatte den Befehl ausgestellt, weil Assange dort Frauen sexuell genötigt haben soll.
Soweit ist das ein Fall, wie er sehr wahrscheinlich leider häufiger vorkommt. Und ebenso wahrscheinlich wäre die Sache kaum der Rede wert, wenn Assange nicht auch Gründer und Kopf der Enthüllungsplattform Wikileaks wäre.
Genau an dieser Stelle laufen nun zwei Geschichten ineinander. Denn vor Wochenfrist hatte Wikileaks die letzte verbliebene Supermacht bis auf die Knochen blamiert, als es Diplomatenpost ins Netz stellte. Seither weiß jeder, wie die Spitzenbeamten der USA über Freunde und Feinde denken.
Nötigungsvorwurf in Schweden, veröffentlichte Geheimdokumente der USA, Festnahme in London - das alles in einem engen zeitlichen Zusammenhang: Das sind die Zutaten, aus denen Verschwörungstheorien gemixt werden. Und die machen nun auch längst schon die Runde, angeschoben von Assange selbst.
In der Tat spricht ja auch manches dafür, dass der US-amerikanische Geheimdienst bei der Festnahme des Australiers seine Hände im Spiel hatte.
Schließlich ist es schon das zweite Mal, dass Wikileaks die USA düpiert. Die Dokumente über den Irak-Krieg haben weltweit Zweifel daran genährt oder verstärkt, dass dieser für Tausende von Soldaten und Zivilisten tödliche Waffengang einen Sinn hatte.
Doch wenn diese Theorie der Wahrheit entspräche, bedeutete sie die vollständige Entmündigung eines souveränen Staates. Dabei sind die Zeiten vorbei, in denen die USA mit den Fingern schnippten und der Rest der westlichen Welt sprang.
Das war schon nicht mehr so, als Amerika gegen Saddam Hussein in den Krieg zog und selbst Deutschland zu Hause blieb. Warum sollte das ausgerechnet beim neutralen Schweden anders sein?
Richtig ist vielmehr, dass die schwedische Justiz Vorwürfe auch gegen Prominente ernst nimmt. Nachlässigkeit darf sie sich nach dem internationalen Spektakel um Assange dabei freilich nicht leisten. Das zumindest ist gut für den Beschuldigten.
Und Wikileaks? Wikileaks enthüllt weiter - auch ohne Julian Assange und ohne Rücksicht auf Verluste.