Tripolis vor einer Herkules-Aufgabe
Libyen auf der Zielgeraden im Kampf um seine Freiheit
Muammar al Gaddafi hat den Krieg gegen sein eigenes Volk verloren. Ob der libysche Gewaltherrscher das einsieht, wissen wir erst, wenn er gefasst und dingfest gemacht ist. Dann vielleicht bricht für die Menschen im Land zwischen Meer und Wüste die neue Zeit an, für die sie so gekämpft haben.
Entscheidend Anteil am zuletzt blitzartigen Erfolg der libyschen Aufständischen hat die Nato. Die hat ihr Mandat, die Zivilisten im Gaddafi-Land zu schützen, sehr großzügig ausgelegt und das Machtzentrum des Despoten sozusagen sturmreif bombardiert. Das hat mit Sicherheit schlimmeres Blutvergießen verhindert, und darum hat die Nato einen guten Job gemacht.
Die Menschen in dem mit Öl gesegneten Land sehen sich schon am Ziel — die nahe Zukunft wird zeigen, ob die nun politisch Handelnden sich in 42 Jahren Diktatur die Kraft bewahrt haben, ein neues, gerechtes Staatswesen aufzubauen und zu festigen.
Europa, die USA, Russland und China müssen beweisen, dass sie nicht als Besatzer und Ausbeuter kommen, sondern in ehrlicher Absicht dem Land auf die Beine helfen wollen. Solche Signale stoßen im afrikanischen Norden auf höchste Aufmerksamkeit.
Machen wir uns aber nichts vor: Der Nationale Übergangsrat in Tripolis steht vor einer Herkules-Aufgabe. Er muss das zerstörte Land aufbauen, muss das Ölgeschäft wieder in Gang bringen — und die in rivalisierende Stämme zersplitterte Gesellschaft unter einen Hut bringen.
Der heiße Wunsch, Gaddafi zu verjagen, hat die Libyer geeint. Was jetzt kommt, ist ebenso schwierig. An Ruhe ist noch lange nicht zu denken in der Region des „afrikanischen Frühlings“.
Wie staatstragend die Übergangsregierung ihre Aufgaben meistert, wird sich am Umgang ihrer Justiz mit Gaddafi und seinen Helfershelfern zeigen, wenn sie erst einmal hinter Schloss und Riegel sind. Ist Libyen in der Lage, einen internationalen Maßstäben entsprechenden Prozess zu machen, oder wäre nicht Den Haag der bessere Gerichtsstand?
Auch auf Deutschland werden neue Anforderungen zukommen. Verteidigungsminister de Maizière hat bereits angekündigt, im Hinblick auf Libyen-Mandate werde es keinen deutschen Sonderweg mehr geben — nicht in der Nato und nicht in der EU. Das birgt innenpolitischen Zündstoff.