Meinung Tuchel, der Krisenmanager
Tatsächlich kann ein Fußballspiel mehr sein als ein Spiel. Am Samstag war das in Mönchengladbach zu spüren, wo der 3:2-Siegtreffer von Borussia Dortmund aus einem Spiel ein noch wichtigeres Ereignis gemacht hat: Zehn Tage nach dem Anschlag auf den Teambus der Dortmunder Kicker hat sich etwas gelöst, was die Mannschaft offensichtlich und nachvollziehbar schwer belastet hat.
Sie musste herhalten, weil es Funktionäre so wollten, musste weiterlaufen im Hamsterrad, Stunden nach dem Anschlag, weil Kommerz keine Pausen zulässt. Die BVB-Kicker haben funktioniert, haben aber nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie lieber pausiert hätten — und sind darüber in der Champions League ausgeschieden: Es war eines der dunkelsten Kapitel des europäischen Vereinsfußballs.
Ins Gegenteil hat sich das in Mönchengladbach verkehrt. Wer Torwart Roman Bürki gesehen hat, der nach dem Sieg mit Tränen in den Augen davon sprach, wieder lachen und schlafen zu können, seit Täter und Tatmotiv bekannt seien, ahnt, unter welchem Druck da ein Ensemble stand.
Eine herausragende Rolle hat dabei der Trainer Thomas Tuchel gespielt. Ein wortreicher Intellektueller, der weder der eigenen Clubführung noch viel weniger den eilfertigen Herren der Uefa das Wort geredet hat. Als das „wichtige Zeichen“, das Dortmund „setzen könne“, en vogue war, befand Tuchel, man hätte lieber nicht gespielt und sei überdies gar nicht gefragt worden. Ihm war es ganz gleich, ob BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke oder Präsident Reinhard Rauball zu diesem Zeitpunkt dem Mainstream schon längst hinterher gehechelt waren.
Tuchel hat sensibel auf seine Mannschaft gewirkt und einen fragilen Organismus unter extremen Bedingungen am Leben gehalten. Vielleicht wird er dafür belohnt im Hamsterrad Fußball, vielleicht schon im DFB-Pokalhalbfinale bei den Bayern. Hängen bleiben aber werden die herausragenden Fähigkeiten des Menschen Thomas Tuchel als Krisenmanager.