Kommentar zum Weltfrauentag Gender Gap - Es geht auch um Leben und Tod
Meinung | Düsseldorf · Dass Frauen im Schnitt 21 Prozent weniger Gehalt als Männer bekommen, dürfte mittlerweile den meisten bekannt sein. Noch fataler ist jedoch der Gender Data Gap. Gleichberechtigung im Jahre 2020? Fehlanzeige. Ein Kommentar.
Weltfrauentag im Jahr 2020. Gesetzlicher Feiertag in Berlin, Demonstrationen für Frauenrechte in vielen Ländern dieser Welt. Seit 101 Jahren dürfen Frauen in Deutschland nun wählen, doch in vielen Bereichen ist die Gleichberechtigung noch immer nicht angekommen.
Nehmen wir aktuelle Zahlen aus dem Arbeitsmarkt vom Statistischen Bundesamt: Drei von vier Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahren sind erwerbstätig. So weit, so gut. Das mittlere Einkommen liegt Deutschlandweit für Frauen bei 3014 Euro brutto monatlich. Bei den Männern sind es 3468 Euro im Mittel. Damit verdienen Frauen rund 13 Prozent weniger. Noch größer wird der Unterschied, wenn man sich einzelne Städte anschaut; am höchsten ist das mittlere Entgelt von vollzeitbeschäftigten Frauen mit 4250 Euro in Wolfsburg, in derselben Stadt verdienen Männer im Mittel aber rund 17 Prozent mehr. Vergleicht man gar das höchste mittlere Entgelt der Frauen mit dem höchsten der Männer (in Erlangen, im Mittel 5544 Euro brutto) kommt man auf eine Differenz von 23 Prozent.
Dass Frauen im Schnitt 21 Prozent weniger Gehalt als Männer bekommen, dürfte mittlerweile den meisten bekannt sein. Erschreckend dabei ist, wie häufig diese Fakten aber noch immer mit einem Schulternzucken abgetan werden. Frauen arbeiten eben eher in Berufen, die schlecht bezahlt werden. Selbst schuld. Frauen fallen eben häufiger aus, weil sie Kinder kriegen. Frauen arbeiten eben lieber in Teilzeit, um sich auch um ihre Kinder zu kümmern. Selbst schuld. Bezieht man diese strukturellen Faktoren in den Gender Pay Gap ein, landet man mit dem sogenannten bereinigten Gender Pay Gap - je nach Berechnung - bei 3 bis 7 Prozent. Ignoriert man also die schwerwiegenden Probleme, die sich hinter den strukturellen Faktoren verbergen, landet man noch immer bei einem Prozentsatz, der sich nicht wegdiskutieren lässt. Gleichberechtigung im Jahre 2020? Fehlanzeige.
Gender Data Gap ist noch gefährlicher als der Gender Pay Gap
Noch fataler, da es sich unter anderem auf die Gesundheit von Frauen auswirkt, ist jedoch die Optimierung unserer Welt auf Männer. Der Großteil der Daten, die unsere Umwelt bestimmen, werden über Männer gesammelt. Es beginnt bei der empfohlenen Raumtemperatur in Büros, die für Frauen oft zu niedrig ist und endet nicht bei zu großer Sicherheitskleidung oder Medikamenten, die meist an Männern getestet werden, obwohl Frauen oft anders auf Wirkstoffe reagieren. Einige Medikamente mussten wegen schwerer Nebenwirkungen bei Frauen sogar vom Markt genommen werden, sagt Journalistin Caroline Criado-Perez, die in ihrem Buch „Unsichtbare Frauen“ über die männlichen Maßstäbe in Industrie und Wissenschaft geschrieben hat.
Der sogenannte Gender Data Gap äußert sich demnach auch beim Autofahren: Da Autos mit männlichen Crashtest-Dummys getestet würden, sind diese für Frauen weniger sicher. Nach Criado-Perez liegt daher die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall schwer verletzt zu werden, für Frauen um 47 Prozent höher als bei Männern. Die Wahrscheinlichkeit, zu sterben, um 17 Prozent. Um gegen die Gefahr, die von der weiteren Nutzung dieser Daten ausgeht - man denke auch an Algorithmen, die immer größere Teile unseres Lebens beeinflussen und in die diese Daten ebenfalls einfließen - anzugehen, bedarf es dringend erweiterter Erhebungen und Tests, die die weibliche Lebenswelt miteinbeziehen. Es geht schließlich nicht nur um die zusätzliche Jacke am Arbeitsplatz - es geht um Leben und Tod.