Meinung Wo sind Anstand, Moral und Mitmenschlichkeit?

Erst Clausnitz, dann Bautzen — und Heidenau ist auch noch nicht so lange her. Wieder ist Sachsen Schauplatz unsäglicher Attacken auf Menschen aus Kriegsgebieten oder auf geplante Flüchtlingsheime. Was ist nur los im Freistaat?

Erst Clausnitz, dann Bautzen — und Heidenau ist auch noch nicht so lange her. Wieder ist Sachsen Schauplatz unsäglicher Attacken auf Menschen aus Kriegsgebieten oder auf geplante Flüchtlingsheime. Was ist nur los im Freistaat?

Sicher, im ganzen Land haben die Übergriffe auf Flüchtlinge oder Unterkünfte ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Doch in Sachsen ist die Häufigkeit offenbar besonders hoch. Durch eine Politik des Verharmlosens, Rausredens und Wegschauens seitens der Landesregierung scheint sich manch einer dort regelrecht aufgefordert zu fühlen, mit Gewalt gegen Asylsuchende vorzugehen. Da helfen die starken Worte von Ministerpräsident Stanislaw Tillich, die er jetzt endlich mal gefunden hat, auch nichts mehr.

Im Freistaat hat das gesellschaftliche Miteinander durch politisches Unvermögen extrem gelitten. Anders ist es nicht zu erklären, wieso ausgerechnet dort immer wieder der Mob wüten kann. Und zwar unbehelligt. Denn auch das Verhalten der sächsischen Polizei ist ja nicht neu — da werden die Schuldigen vor allem unter den Opfern gesucht, nicht unter den Tätern. Da wird Verständnis für eine geifernde Menge gezeigt. Das ist ein echter Skandal.

Anstand, Moral, Mitmenschlichkeit, das sind Werte, die immer häufiger von irgendwelchen Dumpfbacken mit Füßen getreten werden. Grölend und pöbelnd. Nicht einmal mehr verängstigte Familien bleiben verschont. Stattdessen sieht man erwachsene Menschen, die auch noch stolz darauf sind, Kinder und Frauen in einem Bus zum Weinen gebracht zu haben. Und die Polizei schaut vermeintlich hilflos zu. Diese Leute sollten sich schämen.

Man kann ja der Politik der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise ablehnend gegenüber stehen, man kann Angela Merkel kritisieren, gegen sie demonstrieren und Änderungen ihres Kurses einfordern. Das gehört zur Demokratie dazu. Man darf aber seinen Ärger nicht mit Brutalität an denen ablassen, um die es geht - um Menschen auf der Flucht.

„Wir sind das Volk“, haben sie in Clausnitz gerufen. Auch das ist eine Schande. Der Ruf der friedlichen Freiheitsbewegung in der DDR 1989 wird so beschmutzt und missbraucht. Und er richtet sich ausgerechnet gegen jene, die doch Freiheit und Frieden suchen. Das sollten sich alle vergegenwärtigen, die für sich allein in Anspruch nehmen, das Volk zu sein. Auch und gerade bei der AfD.