„Mission Gin“: Wo ein Pater (für) Hochprozentiges brennt

Ein Zisterziensermönch aus Bochum bringt sein Kloster mit einer ungewöhnlichen Aktion ins Gespräch: Er brennt Gin, das hochprozentige Erzeugnis heißt „Monastic Dry Gin“.

Pater Dr. Justinus C. Pech in seiner Gin-Brennerei in der Nähe seines Klosters. Der örtliche Rewe-Markt soll bereits angefragt haben, ob er den Gin ins Programm nehmen dürfe.

Foto: Ulrich Traub

Ein hochprozentiger Tropfen im Habit der Zisterzienser? Was zunächst ungläubiges Kopfschütteln auslösen mag, ist kein plumper Marketing-Gag und schon gar keine provokante Grenzüberschreitung. Das schwarzweiße Etikett tragen die Flaschen dieses Gins aus gutem Grunde. Seine Heimat ist ein Kloster.

Alkohol und mönchisches Leben, das war selten ein Widerspruch. Schon der St. Galler Klosterplan aus dem Jahr 814 wies drei Brauereien auf. „Ich wollte ein Produkt kreieren, das zu uns passt, das es aber nicht schon in anderen Klöstern gibt“, berichtet Pater Dr. Justinus C. Pech (46), der mit 13 Mitbrüdern im Zisterzienserkloster Stiepel im Bochumer Süden lebt, wo das Ruhrgebiet grün ist. „Ich trinke selber gerne Gin“, gesteht er, „was lag da näher, als sich an dieser Spirituose zu versuchen.“ Zumal Klöster ja auch Zentren des Kräuterwissens seien, fügt der Pater hinzu. Im Kloster Stiepel gibt es einen Kräutergarten und ein Gewächshaus, in dem Zutaten wie Basilikum und Zitronenmelisse gedeihen. Letztere verleiht dem ersten deutschen Kloster-Gin, der schon einen Nachfolger in Ettal gefunden hat, die ausgeprägt fruchtige Note.

„Den Wacholder beziehe ich noch aus der Toskana“, informiert der Zisterzienser. Das Getreide, aus dem der Alkohol gewonnen wird, kommt aus der Mutterabtei Heiligenkreuz im Wiener Wald. „Dort wird die Landwirtschaft gerade auf biologischen Anbau umgestellt, was für ein hochwertiges Produkt wie unseren Gin nur gut sein kann.“ Gebrannt werde ganz in der Nähe, denn das Kloster besitze keine Brennrechte.

Klosterleben, Kontemplation sowie Gebet, und ein Trendgetränk, das es schon zu eigenen Gin-Bars gebracht hat, wie passt das abgesehen von persönlichen Vorlieben zusammen? „Ein unternehmerischer Impetus ist bei mir stark ausgeprägt“, räumt Pater Justinus ein. „Ich habe zunächst Betriebswirtschaft studiert, danach für Procter & Gamble gearbeitet und in Hamburg ein Management-Unternehmen aufgebaut, das bis heute erfolgreich arbeitet.“ Nach der Promotion in Wirtschaftsethik habe er Antworten auf die Frage „Für was will ich arbeiten, für was mein Leben hingeben?“ gesucht. Deshalb hätte er sich der Theologie zugewandt. „Schließlich ist die Katholische Kirche ja auch so etwas wie ein Marktführer und kann Wirtschaftskompetenz gebrauchen“, meint der vielseitig Gebildete.

2006 trat er der Ordensgemeinschaft der Zisterzienser in Heiligenkreuz bei. Studien in Frankfurt und Rom schlossen sich an. Vor drei Jahren wurde er nach Bochum „versetzt“, in Stiepel brauchte man einen Ökonomen. Der Gin ist Justinus‘ erster Coup. „Wir möchten damit Leute ansprechen, die bislang keine Notiz von unserem Kloster und dem, was dort geschieht, genommen haben.“ Der Klosterladen solle Anlaufziel für einen neuen Kundenstamm werden – mit dem Gin als hochprozentigem Köder. „Die Besucher werden dann feststellen, dass es Mönche nicht nur im Kino gibt.“ Der Zisterzienser ist zuversichtlich, dass man mit den Kunden ins Gespräch käme, sie Fragen stellten und sich vielleicht auch für den Glauben öffnen würden.

Wie verläuft denn die Mission Gin? „Erste Erfahrungen sind durchaus positiv, resümiert der Pater und fügt hinzu, dass vor ein paar Tagen sogar der örtliche Rewe-Markt angefragt habe, ob er den Gin ins Programm nehmen dürfe. „Und Sie glauben doch nicht, dass ich mich damit zufrieden gebe“, fragt der selbstbewusste Marketing-Pater rhetorisch. „Aktuell denke ich bereits über ein eigenes Tonic nach.“ Irgendwie konsequent.

Dozent für Dogmatik und Dogmengeschichte

Auch wenn der umtriebige Professor für Fundamentaltheologie gerade mal keine Trend-Getränke mixt, kommt keine Langeweile auf. Aktuell wirkt Pater Justinus als Lehrstuhlvertreter für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Bochumer Ruhr-Uni und unterrichtet an der Handelshochschule in Leipzig künftige Führungskräfte. „Ich gehe dahin, wo die Kirche nicht mehr unbedingt Einfluss hat“, erklärt der gebürtige Frankfurter, der zudem Gründer und Direktor des Bochumer Instituts für Führungsethik ist. Zurzeit beschäftigen ihn besonders die ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz.

Geistliches Zentrum
der Region

Das Bochumer Kloster, dessen Bekanntheitsgrad der Zisterzienser gerade steigert, geht auf den ersten Ruhr-Bischof zurück. Kardinal Franz Hengsbach wünschte sich ein geistliches Zentrum in der Region. Im vergangenen Jahr feierten die Mönche dort den 30. Geburtstag ihres Klosters, das rund um die einzige Marien-Wallfahrtskirche des Bistums erbaut worden ist. Ob die Mönche wohl mit ihrem „Monastic Dry Gin“ angestoßen haben?