Kindertagespflege Kinderbetreuung im privaten Wohnzimmer
Düsseldorf · In diesen Tagen erhalten Eltern ihre Zusagen für einen Kitaplatz. Viele Eltern suchen alternativ einen Platz bei der Tagesmutter.
Stolz biegt Ella um die Ecke ins Wohnzimmer. In der Hand hält sie zwei Autos. Es dauert keine Sekunde, da hetzt Johanna hinterher. Die Stimmung kippt, als das blonde Mädchen mit den zwei Zöpfen mit einem beherzten Ruck ein Auto an sich reißt. Alarm. Zwei kleine Mädchen im Kampf um ein Auto. Nichts für empfindliche Ohren. Für Inga Thier ist das Alltag. Sie lächelt gelassen, geht in die Hocke und klärt den Streit mit sanfter Stimme. Und schon sausen die Mädchen zurück ins Spielzimmer, jeder mit einem Auto in der Hand. Inga Thier ist Tagesmutter und betreut täglich drei Kinder in ihrer 120 Quadratmeter großen Wohnung in Derendorf. Damit ist sie eine von mehr als 100 Tageseltern, die allein der Sozialdienst katholischer Frauen und Männer Düsseldorf (SkfFM) an Eltern vermittelt. In Düsseldorf werden rund 3000 Kinder, das heißt rund 25 Prozent der Kinder unter drei Jahren, in der Kindertagespflege betreut.
In den kommenden Tagen erhalten Eltern ihre Zusagen für den Betreuungsplatz ihrer Kinder in einer Kindertagesstätte. Auch in diesem Jahr, so schätzt das Jugendamt, werden wieder rund 2000 Kinder keinen Platz bekommen. Viele dieser Kinder erhalten dann einen Platz in der Tagespflege - bei Tagesmüttern oder in einer Großtagespflege. Nach Schätzungen des Jugendamts werden von den 2000 Kindern ohne Kita-Zusage rund 800 durch die Tagespflege und die nach und nach neu entstehenden Kindergärten aufgefangen.
Aber ist die Betreuung bei einer Tagesmutter nur eine Notlösung, wenn kein Kitaplatz frei ist? Andrea Difort, Fachberaterin beim SkFM kennt die Ansprüche der Eltern: „Es ist schon so, dass viele Eltern erst einmal nach einem Kindergartenplatz Ausschau halten und sich im Kita-Navigator der Stadt anmelden“, sagt sie. „Das liegt vor allem daran, dass Menschen, die jetzt Eltern geworden sind, aus ihrer eigenen Kindheit nur das Betreuungsmodell Kindergarten kennen. Was sie dabei vergessen: Sie selbst waren drei oder vier Jahre alt, als sie einen Kindergarten besuchten. Heute werden die Kinder viel früher in eine Betreuungssituation gegeben“, sagt Difort.
Die meisten Eltern suchen parallel - im Kita-Navigator, dem Platzvergabesystem der Stadt, und bei Tageseltern nach einem Platz. Weil sie Angst haben, am Ende ganz ohne Betreuung dazustehen. „Die Eltern haben sich bereits im Kita-Navigator angemeldet, wenn sie zu uns kommen, um sich über alternative Betreuungsformen zu informieren“, sagt Difort. Wieder andere kommen mit dem konkreten Wunsch zur Beratungsstelle, eine Tagesmutter zu finden. Denn dieses Betreuungskonzept habe gerade für junge Kinder viele Vorteile: Die Kinder haben familiären Anschluss, es werden nur bis zu fünf Kinder betreut. „Die Atmosphäre ist eine ganz andere als im Kindergarten“, sagt Tagesmutter Inga Thier. Es sei vielmehr wie in einer großen Familie.
Drei Kinder betreut sie zurzeit, darunter auch ihre eineinhalb Jahre alte Tochter Johanna. „Für mich ist es eine tolle Möglichkeit, mein eigenes Kind zu Hause zu betreuen und gleichzeitig beruflich tätig zu sein.“ Ähnlich wie im Kindergarten hat auch Inga Thier einen bestimmten Tagesablauf, „auch wenn dieser immer mal wieder etwas abweicht“, sagt sie lächelnd, während Ella sie knatschend in das Spielzimmer zieht.
Die Tagesmutter nimmt morgens gegen acht Uhr die Kinder in Empfang, dann wird erst einmal gefrühstückt. „Vormittags geht es dann raus an die frische Luft“, sagt sie und deutet auf den Spielplatz, der unmittelbar vor der Haustür liegt. Mittags wird frisch gekocht. Vegetarisch. „Ich gehe auf die Wünsche der Eltern ein und bin auch flexibel, wenn es Allergien oder Unverträglichkeiten bei den Kindern gibt.“ Heute ist Karla Steinfordt zu Besuch. Sie ist ebenfalls Tagesmutter und springt ein, wenn Inga Thier krankheitsbedingt ausfällt. Die Frauen treffen sich regelmäßig, damit die Kinder keine Berührungsängste haben, sollten sie in Karla Steinhardts Räumen betreut werden.
Inga Thier hat neben der eineinhalb Jahre alten Johanna noch eine vierjährige Tochter. Sie hat mittlerweile einen Kindergartenplatz bekommen. Die kleine Schwester könnte, durch den Geschwisterbonus, im August ebenfalls folgen. Der Platz, der dann im Hause Thier frei wird, ist schon an einen kleinen Jungen vergeben. „Der Bedarf an Plätzen ist riesig“, bestätigt Fachberaterin Andrea Difort. Dennoch schöpft Inga Thier nicht ihre vollen Kapazitäten aus. Die Tagesmutter hat sich bewusst dazu entschieden, weniger als die gesetzlich möglichen fünf Kinder aufzunehmen. „Ich hätte bei so vielen jungen Kindern das Gefühl, nicht jedem gerecht werden zu können“, sagt sie.
Und plötzlich stehen Ella und Johanna mit dicken Holzketten dekoriert im Wohnzimmer. Die 35-Jährige muss lachen. „Ihr seht ja umwerfend aus. Das müssen wir uns unbedingt im Spiegel ansehen“, sagt sie und ist auch schon mit den Mädchen im Flur verschwunden.