NHL-Saisonstart: Mammut-Programm für Spieler

Boston (dpa) - Es geht wieder rund auf Nordamerikas Eis. Mit mehr als dreimonatiger Verspätung startet die Eishockey-Profiliga NHL am Samstag in die Saison. Doch vor dem ersten Bully ist von Washington bis Vancouver nur eines gewiss - die Ungewissheit.

Kein Team weiß nach nur sechs Tagen Trainingscamp, wo es steht und was in den ersten Wochen zu erwarten ist. „Es ist schwierig, das einzuschätzen“, meinte Christian Ehrhoff. Der Nationalspieler von den Buffalo Sabres hofft, „dass bei uns die Spieler gut vorbereitet sind und wir einen guten Start bekommen. In einer so kurzen Saison kann man sich natürlich keinen Durchhänger erlauben und muss von Anfang an Punkte holen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Statt der üblichen 82 gibt es diesmal lediglich 48 Vorrundenspiele pro Team - die allerdings innerhalb von nur 99 Tagen. „Das wird ein Sprint“, sagte Dennis Seidenberg. Er hatte den Lockout wie knapp 200 weitere NHL-Profis in Europa überbrückt, spielte für Mannheim in der Deutschen Eishockey-Liga DEL. Konditionell ist der 31-Jährige topfit zu den Boston Bruins zurückgekehrt, konnte dennoch das Trainingscamp „gut gebrauchen, speziell für die Zweikämpfe und mein Spiel an der Bande. Die Jungs hier sind ein bisschen schwerer und kräftiger als in der DEL, wo nicht so viel mit dem Körper gespielt wird“, sagte Seidenberg.

Physisch wird einiges auf die Profis zukommen: Weniger Spiele, mehr Action. Alle erwarten, dass es härter auf dem Eis zugehen wird, als ohnehin. Aufgrund der knappen Zeit kann sich keine Mannschaft einen Fehlstart oder eine lange Niederlagen-Serie leisten. Hinzu kommt, dass alle Partien gegen Teams aus der jeweiligen Conference ausgetragen werden. „Somit ist jedes Match ein Vier-Punkte-Spiel“, erklärte Ehrhoff.

Nach den 119 Tagen Arbeitskampf gehen Spieler und Vereine auf Schmusekurs mit ihren treuen und leidgeprüften Anhängern. Jeder Club bietet in den ersten Wochen diverse Programme an. Von kostenloser Bewirtung über Zugang zur Mannschaftskabine bis hin zu Auswärtsreisen im Team-Flieger. Ehrhoff spricht von „Wiedergutmachung.“ Man wolle natürlich versuchen, alle Fans zurückzugewinnen, so der Nationalspieler.

Doch nach dem dritten Lockout seit 1994 sind nicht alle Anhänger bereit, für ein paar Sonderangebote am Bier- oder Hot-Dog-Stand ihrem Team so einfach zu verzeihen. Auf Facebook hatte sich eine Gruppe mit mehr als 22 000 Anhängern gebildet, die sich verpflichtete, so viele Spiele zu boykottieren, wie ihnen durch den Lockout nach dem 21. Dezember entgangen sind. Das Ergebnis sind 312 Partien, im Schnitt also zehn Begegnungen pro Team. „Sie haben uns zehn Spiele genommen, jetzt nehmen wir ihnen zehn. Keine Tickets, kein TV, kein Merchandising“, lautet die Botschaft.

In Los Angeles indes herrscht nichts als Vorfreude. Vor dem Eröffnungsspiel gegen die Chicago Blackhawks wird am Samstag das Meisterbanner unter die Hallendecke gezogen. Neben den 16 Fahnen der Los Angeles Lakers hängt dann endlich auch eine Flagge der Kings im Staples Center. Obwohl die Frage nach den Titelkandidaten diesmal so offen ist, wie lange nicht mehr, werden den kalifornischen Königen gute Chancen eingeräumt, als erstes Team seit den Detroit Red Wings 1998 den Stanley Cup zu verteidigen. Denn der Champion ist ausgeruht. Daher wird der in der Vergangenheit bei den Meistern oft vernommene Begriff „Stanley Cup Hangover“ (Cup-Kater) diesmal sicherlich nicht zu hören sein.

Aus deutscher Sicht hat Seidenberg mit Boston die besten Titelchancen. In Buffalo wollen und müssen Ehrhoff, Alexander Sulzer und Jochen Hecht nach den verpassten Playoffs der Vorsaison diesmal unbedingt die K.o.-Runde erreichen. Marcel Goc sollte mit den Florida Panthers ebenfalls für einen der ersten acht Plätze in der Eastern Conference infrage kommen.

In Toronto hofft Korbinian Holzer nach drei Jahren im Farmteam der Maple Leafs auf seinen NHL-Durchbruch. Und Torhüter Thomas Greiss darf sich als Ersatzmann in San Jose aufgrund des engen Spielplans berechtigte Hoffnungen auf zahlreiche Einsätze machen. Ohne Club ist derzeit noch Marco Sturm. Dem langjährigen deutschen NHL-Vorzeigeprofi boten die Florida Panthers keinen Vertrag an.