Mängel-Liste Alarmierende Sicherheitslücken an NRW-Bahnhöfen

Trinker, Taschendiebe, Drogenhändler - wer auf Bahnhöfen ein mulmiges Gefühl hat, ist nicht neurotisch. Doch die Polizei ist unterbesetzt. Dem Landtag liegt ein alarmierende Liste von Sicherheitslücken vor.

Viele Bahnhöfe in NRW sollen starke Sicherheitsmängel aufweisen.

Foto: Nanninga, Bernd (bn)

Düsseldorf. Die Polizeigewerkschaften und die SPD-Opposition warnen vor erheblichen Sicherheitslücken an Bahnhöfen sowie in Ballungs- und Grenzräumen Nordrhein-Westfalens. In vielen Bereichen sei die Bundespolizei nur mit der Hälfte ihrer Soll-Stärke besetzt, kritisierte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in einer Vorlage an den Düsseldorfer Landtag.

Im Innenausschuss stand am Donnerstag eine Expertenanhörung zur Sicherheit an Bahnhöfen auf der Tagesordnung. Alle Sachverständigen beklagten in ihren schriftlichen Stellungnahmen unzureichende Personalausstattung, zu viel Bürokratie und mangelhafte Koordination der unterschiedlichen Polizeibehörden.

Der Bund der Deutschen Kriminalbeamten (BDK) forderte, die während der Flüchtlingskrise entsandten Bundespolizisten unverzüglich von der bayerisch-österreichischen Grenze abzuziehen. In den „leer gefegten Bahnhofsdienststellen“ in NRW würden sie dringender benötigt.

Die SPD appelliert an die Bundesregierung, personelle Engpässe unverzüglich zu beseitigen. Laut GdP fehlen der Bundespolizei insgesamt 16 000 Beamte und 24 000 Mitarbeiter.

An einigen Bahnhöfen in Großstädten stünden „nur eine bis zwei Polizeistreifen“ der Bundespolizei zur Verfügung, bemängelte die GdP. Die für NRW zuständige Bundespolizeidirektion Sankt Augustin habe derzeit bei einer Soll-Stärke von 3042 Vollzugsbeamten nicht einmal 2300 Polizeikräfte zur Verfügung.

Die Direktion in Aachen sei mit halber Mannschaft für fast 50 Bahnhöfe zuständig. „Hinzu kommt noch die Überwachung des Grenzverkehrs, die hier sehr vernachlässigt wird“, stellte die GdP fest. Ähnlich sehe es an den Bahnhöfen in Düsseldorf, Köln und im Ruhrgebiet aus. Bis zu 40 Krankheitstage und bis zu 130 Überstunden pro Polizeibeamtem spannten die ohnehin dünne Personaldecke weiter an.

„Die bittere Wahrheit ist, dass die Situation an den Bahnhöfen in NRW sich noch mindestens ein Jahr nicht verbessern wird“, bilanzierte BDK-Vorstand Thomas Mischke. „Um jeden großen Bahnhof in NRW hat sich eine bestimmte Szene entwickelt, seien es Obdachlose, Trinker, Drogenkonsumenten, Drogenverkäufer, Taschendiebe, Rotlicht, Kneipen, etc.“

Die Szene sei teils verantwortlich für Störungen, beeinträchtige aber immer das Sicherheitsgefühl der Reisenden. Diese komplexen Probleme könnten aber Bundespolizei und Sicherheitsdienste der Deutschen Bahn nicht alleine bewältigen, sondern nur zusammen mit Landespolizei, Kommunen sowie der Deutschen Fußball Liga, betonte der Polizeigewerkschafter.

Dabei seien die Bahnhöfe nur ein Ausschnitt der Misere der Bundespolizei. Mischke zählt in seiner Vorlage einen Katalog von Missständen auf, die die Arbeit seiner Kollegen zunehmend erschwerten. Dazu gehöre „das deutlich verbesserungswürdige Nebeneinander statt Miteinander von Landes- und Bundespolizei und Zoll“. Sinnvoll wären grenzüberschreitende Teams mit gemeinsamen Wachen und Fahndungstrupps gegen reisende Täter sowie eine gemeinsame „Landesleitstelle NRW“, schlug er vor.

Automatensprengungen, Blitzeinbrüche, Kabeldiebstähle auf Bahnstrecken und „das Massenphänomen Taschendiebstahl“ belegten eindrücklich die Notwendigkeit für „Sicherheitspartnerschaften“. Hohes Frustpotenzial erzeuge bei der Polizei von Bund und Ländern zudem mangelnde Konsequenz bei der Abschiebung von Intensivtätern, „wenn diese Täter nach Vernehmungen die Dienststelle lächelnd verlassen und unverzüglich erneut zur Tat schreiten“, klagte Mischke. Ein Großteil zeitaufwendiger Ermittlungsverfahren der Bundespolizei werde von einer überlasteten Justiz eingestellt.

Die Polizeigewerkschaften sehen aber auch bei der Deutschen Bahn Handlungsbedarf. Sie müsse lückenlos stabilen Digitalfunk in den Bahnhöfen und Tunneln sicherstellen und die Video-Überwachung ausbauen, fordern sie. dpa