Früheres AKW-Gelände Atomabfälle sollen nach Würgassen - Stahlbetonbau geplant
Würgassen · Atommüll soll 2027 im Endlager Schacht Konrad tief unter die Erde kommen. Neu ist jetzt: Die Abfälle aus allen deutschen Zwischenlagern sollen vorher nach Würgassen transportiert werden. Sofort kommt Widerspruch.
Auf dem Gelände des früheren AKW Würgassen im äußersten Osten von NRW soll Planungen zufolge ein zentrales Lager für radioaktive Abfälle aus ganz Deutschland entstehen. Behälter mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen aus dezentralen Zwischenlagern sollten in eine noch zu bauende oberirdische Stahlbetonhalle gebracht werden. Das berichtete die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) am Freitag in Würgassen - im Länderdreieck von NRW, Niedersachsen und Hessen. Die Planung sei mit dem Bundesumweltministerium abgestimmt.
In dem angestrebten „Logistikzentrum“ würden die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle gesammelt, sortiert und so zusammengestellt, dass man sie schnellstmöglich ins Endlager Konrad nach Salzgitter bringen könne, erläuterte die BGZ. Der Schacht Konrad ist Deutschlands erstes atomrechtlich genehmigtes Endlager, das derzeit unter besonderen Bedingungen entsteht. Dort soll ab 2027 schwach- und mittelradioaktiver Atommüll endgelagert werden. Seit Jahren wird gegen Atomtransporte demonstriert, auch Schacht Konrad ist von Protesten begleitet. Der BUND, die Linke im Bundestag, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umwelt und die Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ kritisierten nun die neue Entscheidung für Würgassen massiv.
Ein BGZ-Sprecher sagte, man informiere jetzt erstmals öffentlich über das Vorhaben. Es sei noch kein Genehmigungsverfahren bei der zuständigen Bezirksregierung in Detmold beantragt. Auch für eine Baugenehmigung seien die erforderlichen Schritte noch nicht unternommen worden. Geplant sei ein 325 Meter langes, 125 Meter breites und 16 Meter hohes Gebäude aus Stahlbeton. Die Errichtung solle mit Inbetriebnahme des Endlagers Konrad im Jahr 2027 abgeschlossen sein. Es würden 450 Millionen Euro investiert und 100 dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen.
Die radioaktiven Abfälle stammen nach BGZ-Angaben aus Betrieb, Stilllegung und Rückbau von Atomkraftwerken sowie aus den Bereichen Medizin, Forschung und Gewerbe. „Hochradioaktive Abfälle, wie etwa abgebrannte Brennelemente, werden dort nicht gelagert“, betonte die Gesellschaft.
„Wir haben uns nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung potenzieller Standorte und in Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium für Würgassen als Standort für unser Logistikzentrum entschieden“, sagte Ewold Seeba, Vorsitzender der BGZ-Geschäftsführung, laut Mitteilung. Ausschlaggebend sei auch gewesen, dass am ehemaligen Atomkraftwerksstandort Würgassen bereits zwei Zwischenlager in Betrieb seien. Die für ein solches Logistikzentrum nötige Infrastruktur sei damit vorhanden.
Ziel sei es, ab 2027 eine „passgenaue Belieferung des Endlagers Konrad“ sicherzustellen. Man müsse Abfallbehälter in Würgassen konzentrieren, um von dort aus den Atommüll geordnet und zügig zur Endlagerung zu bringen. Der Einlagerungsprozess in Salzgitter solle insgesamt beschleunigt werden. Das sei „ein Gewinn an Sicherheit für alle“. In der künftigen Stahlbetonhalle soll der Atommüll sortiert und mit Kränen rangiert werden - es werde Gleis-Anschlüsse zum An- und Abtransport geben. Für Würgassen gelte: „Das Logistikzentrum wird nach dem Ende des Einlagerungsbetriebs im Endlager geschlossen.
Die BGZ wurde nach eigenen Angaben von der Bundesregierung beauftragt, ein Bereitstellungslager für das Endlager Konrad zu planen und zu errichten. Das sei auch im Koalitionsvertrag 2018 ausdrücklich bekräftigt worden. „Die besondere Eignung des Standortes Würgassen für die Anlage wurde auch vom Öko-Institut Darmstadt im Auftrag des Bundesumweltministeriums in einem Gutachten überprüft und bestätigt“, betonte die BGZ.
Die Organisation „ausgestrahlt“ kritisierte, dass künftig aus allen Himmelsrichtungen strahlende Behälter zuerst nach Würgassen transportiert würden und man die Atommüll-Züge dann nach Salzgitter fahre. Nach Ansicht des BUND zementiert die Entscheidung einen „Irrweg“. Schacht Konrad „entspricht nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik und würde heute nicht mehr genehmigt werden“, bemängelte BUND-Chef Olaf Bandt. Um das Planfeststellungsverfahren für das Projekt Schacht Konrad nicht wieder öffnen zu müssen und dessen Aus zu riskieren, baue man das neue Lager 100 Kilometer entfernt in Würgassen. Das sei „ein Eingeständnis politischer Fehlplanung.“
Die Gesellschaft BGZ ist auch für den Betrieb der Zwischenlager Ahaus und Gorleben zuständig. Vor gut einem Jahr wurden ihr zudem die zentralen Zwischenlager an den Standorten der deutschen AKW übertragen. „Ab 2020 führen wir ebenfalls die zwölf Lager mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen der deutschen Kernkraftwerken“, heißt es auf der BGZ-Seite.