Bobby-Car mit Düsenantrieb: Mann will Highspeed-Weltrekord in NRW aufstellen
Groß-Gerau/Darmstadt. Eine einsame gerade Straße irgendwo bei Darmstadt. Plötzlich bricht ein ohrenbetäubendes Pfeifen los, Turbinen heulen auf wie beim Start eines Flugzeugs. Eine Stichflamme sorgt für sengende Hitze bei ohnehin schon extrem hohen Temperaturen.
Dirk Auer streckt die Beine aus, lehnt sich mit dem Oberkörper nach hinten. Mit den Füßen schaukelt er ein paar Mal hin und her, holt Schwung, dann rast er los - auf einem Bobby-Car.
Auers Ziel an diesem Sonntag ist klar definiert: Er will die Technik seines düsengetriebenen Bobby-Cars noch einmal testen, bevor es am kommenden Sonntag (5. August) nach Bottrop geht. Dort soll dann der momentan bestehende Weltrekord auf einem Bobby-Car geknackt werden. Laut Auer liegt der bei 108 Stundenkilometern.
Die Basis für seinen Rekordversuch ist ein ganz normales, handelsübliches Bobby-Car, in das Auer einen Düsenantrieb eingebaut hat. Sogar die quietschende Hupe ist noch am - freilich modifizierten - Lenker erhalten. Über den Korpus hat Auer eine Carbonhülle gezogen, damit die Hitze etwas abgeschirmt wird. Die Turbinen sind so genannte BF300 Triebwerke mit insgesamt 105 Kilogramm Schub und 180 PS. „100 Kilo Schub bei 100 Kilo Gewicht, das sind Verhältnisse wie bei einem Rennmotorrad, wenn nicht noch besser“, sagt Auer. Ein Triebwerk ist direkt am Bobbycar verbaut, zwei weitere an Armhaltungen montiert. „Das Fahren auf so einem Teil macht einfach riesigen Spaß“, sagt der 46-Jährige grinsend. Wenn man sich bei diesen Geschwindigkeiten nach hinten lehne und beschleunige, sei das, als schwebe man über dem Boden.
Kurz vor dem ersten Start wirkt Auer hochkonzentriert. Die Leichtigkeit und der Spieltrieb scheinen verflogen. Mit einem Helfer betankt Auer zunächst die Turbinen. 1,5 Liter Kerosin oder Diesel pro Düse passen hinein. Dann entlüften die beiden die Leitungen und legen die Tanks in einen Rucksack. Den schnallt sich Auer auf den Bauch.
Über einen Regler kann er Gas geben und die Geschwindigkeit etwas kontrollieren. Auer kniet sich hinter das Bobbycar, um alle Schläuche und elektrischen Verbindungen anzuschließen. Kein leichtes Unterfangen in einer extra verstärkten Leder-Motorrad-Kluft an einem sehr heißen Sommertag. Auer rinnt der Schweiß von der Stirn.
„100 bis 110 bin ich schon gefahren, mein Ziel für Sonntag wären bis zu 180 km/h, wenn es schneller geht, auch schneller“, erklärt der Extremsportler aus Groß-Gerau. Alle Turbinen starten auf einmal. Sollte eine nicht anspringen, kann Auer per Hand nachhelfen. Am Ende der Straße bremst er jedoch nur mit seinen Füßen. „Die Schuhe kann ich nach einem Versuch wegschmeißen“, sagt er.
Der Kunststofftechnik-Ingenieur hatte schon immer einen Hang zum Extremen. „Ich experimentiere gerne und probiere neue Sachen aus“, erklärt er. Als ihm Inline-Marathons nicht mehr reichten, unternahm er extremere Touren: in drei Wochen von Spanien nach Polen oder in 24 Stunden von Frankfurt nach München. Auer ließ sich auf seinen Rollen von Motorrädern und Rennwagen ziehen, raste bei „Wetten, dass..?“ eine Achterbahn hinunter und hält derzeit den Weltrekord mit einer Geschwindigkeit von 307 Stundenkilometern.
So lang wie die Liste der Rekorde ist auch die Liste der Verletzungen. Schienbein, Hand oder Ferse, auch die Rippen hat sich Auer schon gebrochen. „Ich bin immer ein bisschen aufgeregt vorher und auch konzentriert“, gibt Auer zu, „aber Angst in dem Sinne habe ich nicht, eher Respekt.“
Nach den ersten Runden ist Auer noch nicht ganz zufrieden. „Ich denke schneller als 100 bin ich schon gefahren“, sagt er, „aber der Rucksack sitzt nicht optimal, ich kann mich nicht richtig nach hinten lehnen.“ Das sei jedoch wichtig für die Aerodynamik. Bei seinem Rekordversuch will er deshalb ein anderes Modell nehmen. Auch das Spiel im Lenker ist dem Ingenieur zu groß, das wird er korrigieren. Dennoch ist Auer für Sonntag guter Dinge. „Es fährt stabil und die Geschwindigkeit sollte kein Problem sein.“