Bürger, Ärzte, Organisatoren Was Sie zu den Corona-Impfungen wissen müssen
Berlin · Nach monatelangen Alltagsbeschränkungen rückt eine zentrale Lösung für die Corona-Krise näher: Impfungen sollen bald nach und nach möglich werden. Was heißt das für Organisatoren, Ärzte und Bürger?
Es geht um eine beispiellose Großoperation und die Hoffnung auf die entscheidende Waffe gegen die Pandemie: Deutschland wappnet sich für den Start von Impfungen gegen das Coronavirus, die wahrscheinlich kurz nach dem Jahreswechsel anlaufen sollen. Heikel ist vor allem die Anfangsphase, wenn sich wohl viel mehr Menschen impfen lassen möchten, als Impfstoff da ist. Auf einen Schlag ändert sich die angespannte Lage damit also nicht. Der Staat nimmt aber den Auftakt direkt in die Hand, um einen Anschub für Impfungen von vielen Millionen Bürgern zu geben, die später Praxen in der Fläche übernehmen sollen. Die konkrete Organisation wird vor Ort gemacht.
Wie schnell geht's los?
Wann die erste Spritze gesetzt werden kann, steht noch nicht fest. Bund und Länder peilen an, mit wichtigen Vorbereitungen bis Mitte Dezember startklar zu sein - auch, wenn es dann doch noch ein paar Wochen länger dauern sollte. Massenimpfungen sind ohnehin nicht gleich möglich, weil zuerst nur begrenzte Impfstoffmengen zu erwarten sind. „Wir müssen durch den Winter durchkommen, ohne darauf setzen zu können, dass wir in großem Maße schon Impfstoff zur Verfügung haben“, erläuterte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Im ersten Quartal 2021 könne Deutschland von den Herstellern Biontech/Pfizer und Moderna wohl zusammen sieben Millionen Dosen erwarten. Vorgesehen sind aber auch zwei Impfungen in bestimmtem Abstand. Im dritten Quartal - also zum Sommer - könnten dann deutlich größere Mengen verfügbar sein.
Wer besorgt den Impfstoff?
Zentral Impfstoff für Deutschland beschaffen will der Bund. Über einen EU-weiten Schlüssel und nationale Vereinbarungen sind bisher rund 300 Millionen Dosen gesichert. Der Bund bezahlt das auch, im Etat 2021 sind vorerst 2,7 Milliarden Euro dafür reserviert. Verteilt werden sollen Impfstoffe über knapp 30 Anlieferstellen der Länder, von dort dann weiter in regionale Impfzentren, für die gerade Hallen, Stadien und Hotels hergerichtet werden. Das hat praktische Gründe: Einige Impfstoffe müssen bei minus 70 Grad gekühlt werden, was nicht in jeder Praxis und Apotheke geht. In Zentren mit Hunderten Impfungen am Tag können Impfstoffe auch in großen Mengen aufgebraucht werden, ehe sie verfallen. Möglich sind spezielle Sicherheitsvorkehrungen.
Wer soll zuerst drankommen?
In den Zentren soll ein Vorrang bestimmter Gruppen beim Impfen klarer durchzusetzen sein als an den Empfangstresen von Arztpraxen, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte - zumal bei emotionalen Reaktionen, wenn jemand abgewiesen wird. Die Reihenfolge will Spahn per Verordnung festlegen, die Richtung zeichnet sich schon ab. Nach einem Rahmen, den der Bundestag in einem Gesetz abgesteckt hat, legte die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (RKI) einen Entwurf für eine genauere Empfehlung vor. Länder und Experten können dazu noch Stellung nehmen. Als erste sollten demnach Ältere über 80, Pflegeheimbewohner und Personal mit höchstem Infektionsrisiko in Kliniken und Altenheimen zum Zug kommen, rund 8,6 Millionen Menschen.
Wo kann man sich impfen lassen?
In den Ländern werden Zentren eingerichtet, die Impfungen in einer Region für die ersten Monate bündeln sollen. In Hessen werden zum Beispiel je Zentrum mindestens 1000 Impfungen pro Tag angepeilt, geöffnet sieben Tage die Woche. In der Düsseldorfer Fußball-Arena sollen auf zwei Etagen bis zu 2400 Impfungen am Tag möglich sein. Gebraucht wird überall auch extra Personal. Spahn rechnet mit einer hohen Bereitschaft bei Ärzten und anderen Helfern - es sei ja auch „eine Jahrhundertsituation“, bei der Lösung der Pandemie dabei zu sein. An Zentren angedockt werden sollen mobile Teams, die etwa in Heime und Kliniken gehen, wenn Menschen nicht selbst kommen können.
Wie sollen Impfungen ablaufen?
Für Impfzentren gibt es jeweils eigene Konzepte, die von der An- und Abfahrt bis zur Gestaltung der Räume reichen. Um Warteschlangen und Gedrängel zu vermeiden, sollen Termine generell vorab online oder per Telefon gebucht werden können. Experten empfehlen für Zentren meist Impfstraßen als Einbahnstraßen, um Patienten von Station zu Station zu lotsen - von der Anmeldung, wo die Impfberechtigung geprüft wird und man einen Aufklärungsbogen bekommen kann, bis zu einer Zone, wo man nach dem Impfen noch etwas bleiben kann. Gebraucht werden auch Wartebereiche, Räume für Arztgespräche und die eigentliche Impfung. Die Planer schauen dann, wie lange ein normaler Durchlauf dauert - in Husum in Schleswig-Holstein sind es zum Beispiel etwa 45 Minuten.
Was kostet die Impfung?
Die Impfung samt Beratung soll für alle Bürger kostenlos sein. In der ersten Phase mit noch relativ wenig verfügbaren Dosen muss man aber - nach dann geltender Impf-Reihenfolge - seine „Anspruchsberechtigung“ nachweisen. Beim Alter soll das einfach mit Personalausweis oder Pass gehen, wie ein Verordnungsentwurf des Bundes vorsieht. Bei Personal im Gesundheitswesen, in der Pflege und der „kritischen Infrastruktur“ wie der Polizei sollen es Arbeitgeber-Bescheinigungen tun. Wenn Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen an die Reihe kommen, sollen sie ein ärztliches Attest vorlegen müssen. Kennt einen der Arzt, soll man sich das auch telefonisch bestellen und zuschicken lassen können.
Werden Impfungen auch dokumentiert und überwacht?
Wer eine Spritze erhalten hat, soll zum Beispiel im Impfzentrum in Essen ein Einlegeblatt für den Impfpass bekommen. Generell ist zudem eine „Surveillance“ der frisch eingeführten Impfstoffe vorgesehen - also eine wissenschaftliche Beobachtung, wie der Prozess auch mit möglichen Risiken abläuft. Dafür sollen Impfzentren täglich Daten ans RKI melden - unter anderem Impfdatum, Impfstoffname, Chargennummer, Geburtsmonat, Geburtsjahr, Geschlecht und Postleitzahl. Wie es in einem Verordnungsentwurf heißt, sollen die Daten nur zweckgebunden zu verarbeiten sein: zum Feststellen der Inanspruchnahme von Impfungen und von Impfeffekten durch das RKI und zum Überwachen der Sicherheit von Impfstoffen durch das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut.
Wie kommen Hausärzte beim Impfen ins Spiel?
Nach dem Start in zentralen Einrichtungen sollen die Corona-Impfungen dezentral weitergehen - wie es Praxen gerade auch wieder mit mehr als 20 Millionen Grippeimpfungen tun. Wann umgeschaltet werden kann, ist offen, vielleicht im Sommer. Voraussetzung sind mehr Impfstoffe für den Masseneinsatz, die normal in Apotheken und Praxen zu lagern sind. Wie sich die Impfbereitschaft nach ersten Eindrücken entwickelt, muss sich dann zeigen. Die Bundesregierung plant Info-Kampagnen fürs Impfen und will erklärtermaßen auf breites Vertrauen achtgeben. Dazu gehört das wiederholte Versprechen: Es geht um ein Impfangebot, keine Impfpflicht. Spahn hat im Bundestag sein Wort darauf gegeben.
Wie schnell können Impfungen die Pandemie stoppen?
Mit Prognosen halten sich Politik und Experten zurück. Inmitten andauernder Corona-Beschränkungen sind nahende Impfungen aber „Licht am Ende des Tunnels“, wie Merkel sagte. Schritt für Schritt sei das Virus damit zu besiegen. „Eine Sache von wenigen Monaten wird das allerdings nicht, seien wir da ganz realistisch.“ RKI-Präsident Lothar Wieler nannte Impfungen den „entscheidenden Game-Changer“, der den Pandemie-Verlauf um Jahre verkürzen könne - Deutschland alleine reiche da aber nicht. Ein Aufwand von nochmals fünf, sechs Milliarden Euro rund ums Impfen lohne sich jedenfalls, machte Spahn deutlich. Allein die Novemberhilfen für Betriebe kosteten 15 Milliarden Euro.