Fremde Macht über das eigene Leben
Wer systematisch verfolgt wird, ist bald psychisch und physisch am Ende. Und Widerstand ist ein langer Weg.
Rhein.-Berg. Kreis. Mal liegen Blumen vor der Tür, mal sind die Reifen zerstochen. Telefon-, SMS- und Mailterror wechseln sich ab mit verbalen Umgarnungen und Drohungen, dem Streuen von Gerüchten und der Anprangerung im Internet. Und oft ist die Wurzel dieses perfiden Spiels auf der Klaviatur der Gefühle eine ins Kranke abgeglittene Liebesbeziehung. Für die Opfer dieser Nachstellungen, von Experten mit dem englischen Begriff Stalking bezeichnet, ändert sich das Leben radikal.
Wer solche Fälle geschildert bekommt, reagiert meist impulsiv mit Empörung und dem Drang, sofort helfen zu wollen. Und in der Tat gibt es seit mittlerweile vier Jahren die längst überfälligen gesetzlichen Möglichkeiten, Stalking strafrechtlich zu verfolgen. Aber Experten warnen vor der Hoffnung auf ein schnelles und dauerhaftes Ende des Psychoterrors. So alternativlos für Opfer der Weg ist, sich zu wehren, so schmerzlich und langwierig kann er auch sein.
136 Strafverfahren und 100 Beratungen in Sachen Stalking hat es 2010 im Zuständigkeitsbereich der Kreispolizeibehörde Rhein-Berg gegeben, die höchsten Zahlen seit der Einführung des Straftatbestands. Und oft, weiß die Opferschutzbeauftragte Susanne Krämer, scheint es aussichtslos, gegen den Terror anzukämpfen. „Aber es gibt Möglichkeiten, vor allem, wenn sie früh einsetzen.“
„Emotionale Distanz“ ist eine dieser Methoden, den (meist männlichen) Täter nicht widerstands- und willenlos in das eigene Leben hineinregieren zu lassen. Aber das konsequente Ablehnen aller Formen der Kontaktaufnahme steht auch im Widerspruch zu einem Strafverfahren. „Wenn die Fälle zu mir kommen, hat das Opfer schon an vielen Stellen Auskunft gegeben und fühlt sich von mir fast schon zusätzlich gestalkt“, sagt Oberamtsanwalt Alois Schmitz von der Kölner Staatsanwaltschaft.
Aber die „wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung“ muss genau nachgewiesen werden — und das halb- bis einjährige Verfahren sorgt wieder für eine Bindung zwischen Opfer und Täter, derer sich die Betroffenen bewusst sein müssen.
Das gilt auch, wenn ergänzend der zivilrechtliche Weg eingeschlagen wird. Für Michael Macioszek, Leiter des Amtsgerichts Bergisch Gladbach, verspricht vor allem ein Vergleich Aussicht auf Erfolg: „Man trifft Regelungen für die Zukunft ohne Schuldeingeständnis für die Vergangenheit.“
Auf jeden Fall muss die Gegenwehr aber konsequent erfolgen. Denn Stalking erfolgt in Wellen und Täter fühlen sich bestärkt, sobald der Widerstand nachlässt.
Am Dienstag, 22. März, ist der Tag des Kriminalitätsopfers. Grund genug, die staatlichen Hilfsmöglichkeiten in den Blick zu rücken. „Aber das Ziel, dass das Stalking aufhört, ist sehr hoch gegriffen“, sagt die polizeiliche Präventionsexpertin Gundhild Hebborn.
Das Opfertelefon der Kreispolizeibehörde kann für Betroffene eine erste Anlaufstation sein (Telefon 0 22 02/2 05-4 32).