Christoph Sieber: Ich habe, bevor ich zugesagt habe, Jürgen Becker und Wilfried Schmickler angerufen und mir von den beiden den Segen geben lassen. Ich wollte da kein Putschist sein. Ich weiß zu schätzen, was meine drei Vorgänger geleistet haben, und freue mich, dass sie dafür gesorgt haben, dass es auch nach ihnen noch weitergehen kann. Das sind riesen Fußstapfen, in die ich jetzt trete, und die Erwartungshaltung ist ebenfalls riesig. Schön wäre es, wenn die Leute nach einem halben Jahr sagen würden, der Mut, etwas zu verändern, hat sich ausgezahlt.
Interview „Ich mache Unterhaltung - und das hält die Menschen am Leben“
Wie schwer ist es, bei den „Mitternachtsspitzen“ die Nachfolge zu übernehmen?
Was wird sich bei den „Mitternachtsspitzen“ ändern?
Sieber: Wichtig wäre es mir, zunächst zu sagen, was bleiben wird. Die „Mitternachtsspitzen“ sind eine volksnahe Sendung. Das trifft für den Moderator genauso zu wie für die Gäste. Es geht nicht um eine elitäre Kabarettsendung, die den Menschen die Welt erklärt. Man hat hier keine Angst vor dem einfachen Humor und darf auch mal komisch sein. Diese Volksnähe wollen wir unbedingt erhalten. Wichtig ist mir außerdem, dass die satirische Schärfe erhalten bleibt. Wir werden auch künftig kein Blatt vor den Mund nehmen. Es wird eine Sendung im Wartesaal am Dom bleiben, die unter Live-Bedingungen aufgezeichnet und irgendwann auch wieder vor Saalpublikum stattfinden wird. Was es nicht mehr geben kann, sind die „Überschätzten Paare der Weltgeschichte“. Wir planen daher Neues und hoffen auf ähnlichen Erfolg.
Was war Ihr erster Kontakt zu den „Mitternachtsspitzen“?
Sieber: Ich bin vor etwa zehn Jahren dort als Gast eingeladen worden und stand auf der Bühne. Die „Mitternachtsspitzen“ sind in der Szene eine große Nummer und wer dort eingeladen wird, wird geadelt und man traut ihm zu, einmal etwas Großes zu werden. Entsprechend aufgeregt war ich beim ersten Auftritt. Im Wartesaal am Dom ist es unglaublich wuselig. Die Garderoben sind direkt hinter dem Bühnenvorhang, sodass man alles mitbekommt. Der Raum, den man da hat, ist winzig klein, dafür hat er einen golden glitzernden Vorhang. Das Publikum ist knallhart, da merkt der Künstler direkt, ob er ankommt oder nicht. Das ist ein echter Hexenkessel. Ich selbst hatte Glück, mein erster Auftritt verlief gut.
Wie laufen die Vorbereitungen auf die erste Sendung?
Sieber: Ich habe fünf Jahre lang bereits eine Fernsehsendung gemacht und bringe so eine gewisse Erfahrung mit. Ich habe zudem ein tolles Team, zu dem auch der bisherige Hauptautor der „Mitternachtsspitzen“, Dietmar Jacobs, gehört. Ich selbst beobachte das aktuelle Geschehen sehr genau und schreibe die Ideen, die sich daraus ergeben, auf. Die gehen dann in die Runde und dort entscheiden wir, was gut ist oder nicht. Allerdings startet die Hauptarbeit unmittelbar vor der Sendung, da wir sehr viel Wert darauf legen, tagesaktuell zu sein.
Wie schwer ist es als Kabarettist in der Corona-Zeit?
Sieber: Wichtig ist, dass wir auch in dieser Zeit nicht unseren Humor verlieren, sonst sind wir wirklich verloren. Ich mache Unterhaltung und das ist etwas, was die Menschen am Leben erhält. Man sollte auch jetzt mit einer gewissen Gelassenheit auf sich selbst blicken und man sollte auch über sich selbst lachen können. Schwer ist, dass ich als Livekünstler derzeit keine Liveauftritte habe. Der direkte Kontakt zum Publikum fehlt mir total und so gehe ich mit meinen Sprüchen auch schon mal der eigenen Familie auf die Nerven. Aber es ist klar, warum die Kleinkunst von den Einschränkungen betroffen ist. Bei uns schaut man sich nicht nur etwas an, sondern trifft sich im Anschluss im Foyer, um intensiv darüber zu diskutieren.
Wie ist Ihre Beziehung zum Wartesaal?
Sieber: Ich lebe in Köln und kenne den Wartesaal natürlich auch von diversen Partys. Ganz besonders verbinde ich aber mit ihm die „Mitternachtsspitzen“. Das gibt dem Ganzen einen Rahmen, man produziert die TV-Sendung direkt unter dem Dom. Der Saal selbst ist viel kleiner, als man denkt. Der ist sehr kompakt. Da gibt es keine sterile Studioproduktion. Und wenn man aus dem Bühneneingang herauskommt, steht man direkt in der Passage zum Breslauer Platz, wo es bestialisch stinkt. So kommt man vom Juwel des Kabaretts direkt in die Kölner Tristesse.
Welche Beziehung haben Sie zu Köln?
Sieber: Ich bin Schwabe und stamme von der Schwäbischen Alb. Aufgewachsen bin ich im Badischen, in Villingen-Schwenningen. Ich bin aber direkt zum Studium nach Essen und habe den größten Teil meines Lebens im Ruhrgebiet und im Rheinland verbracht. Meine Heimat habe ich mir als Wahlkölner ausgesucht. Diese Entscheidung habe ich auch nie bereut. Köln ist eine tolle Stadt mit tollen Menschen. Es gibt viele unschöne Ecken, das machen die Menschen hier aber wieder wett.