Karneval Blumen statt Patronen im Gewehr
Köln · Beim traditionellen Biwak der Roten Funken sind am Samstagvormittag alleine schon pandemiebedingt viele Dinge in diesem Jahr anders als in den Zeiten vor Corona. Der Neumarkt ist eingezäunt und die 4000 zugelassenen Jecken mussten vorab online „Passierscheine“ erwerben.
Auch die „Funkenstange“, mit der man sich uneingeschränkt Kölsch nach zapfen lassen kann, muss pausieren. Stattdessen gibt es Flaschenbier. Die Nachfrage nach den Tickets war riesengroß, sodass diese binnen kürzester Zeit ausverkauft waren. Das Biwak selbst dauerte etwas länger, da in diesem Jahr keine Kirmes im Anschluss auf dem Neumarkt aufgebaut wurde.
Doch nicht nur die Pandemie bestimmt derzeit das Leben der Menschen. Seit Donnerstag ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine das bestimmende Thema in den Medien und in den Köpfen der Leute. Insbesondere an Weiberfastnacht hat das auch viele Jecken geschockt – viele blieben zu Hause und verzichteten auf den Auftakt des Straßenkarnevals. Auch jetzt wird die Frage noch intensiv diskutiert, ob man in diesen schweren Kriegszeiten noch den Straßenkarneval feiern darf. So wurde aus dem geplanten Rosenmontagsfest im Stadion eine Friedensdemonstration, die am heutigen Montag nach einer Kundgebung um 10 Uhr auf dem Chlodwigplatz durch die Kölner Innenstadt zieht. Mehr als 30.000 Teilnehmer werden hier von den Veranstaltern beim Festkomitee erwartet, darunter auch viele Aktive des Kölner Karnevals.
Die Roten Funken haben am Samstagvormittag ihre ganz eigene Antwort gefunden und aus dem Biwak einfach ein Friedensfest gemacht. Früher war der Platz auch ein Ort, wo Soldaten exerziert haben und wo es große Paraden gab. Bei den Roten Funken gehört es zur ureigenen DNA, dass sie zwar die Uniformen der Kölner Stadtsoldaten tragen, dass sie aber auch immer das Militär persiflieren. So wird beim Traditionskorps nicht exerziert und marschiert, sondern gewibbelt und getanzt. Und statt der Patronen im Gewehr zieren bei den Jecken mit ihren rot-weißen Uniformen Blumen ganz friedlich den Gewehrlauf.
Beim Funkenbiwak stand auf der Tribüne ein großes Transparent mit der Aufschrift „Jeck noh Fridde“ im Mittelpunkt, das auch bei der Friedensdemonstration am Rosenmontag zum Einsatz kommen soll. Bei den Offizieren fand eine Stoffschleife in den Landesfarben der Ukraine ihren Platz auf der Brust, geziert von einem roten Herz in der Mitte. Bei den Soldaten waren an den Gewehrläufen neben den klassisch rot-weißen Bändern und welche in Blau und Gelb angebracht worden. Ans Publikum hatte man weiße Fähnchen als Zeichen des Friedens und der Solidarität verteilt. Dort fand sich auch ein Demonstrationsschild mit der Flagge der Ukraine und der Aufschrift „Stop Putin – Stop War“. Dazu kam die kölsche Version eines alten Slogans der Friedensbewegung - „Make Faste(Love)nd, not war“.
„Freiheit, Brüderlichkeit und Frieden in der Welt – dafür steht der Karneval in Köln. Wir werden allen Despoten auf der Welt klarmachen, dass wir das Volk sind. Das ist hier heute ein Fest des Friedens und der uneingeschränkten Solidarität mit dem ukrainischen Volk. Die Roten Funken haben immer wieder in ihrer fast 200-jährigen Geschichte in Krisenzeiten den Menschen Zuversicht, Hoffnung und Freude gebracht“, sagt Heinz-Günther Hunold, der Präsident des Traditionskorps, das 2023 sein 200-jähriges Bestehen feiern kann.
Auf der Bühne und im Umfeld des Neumarkts gab es in diesem Jahr immer wieder besondere Zeichen des Zusammenhalts. So wurde das Bühnenprogramm von den Swinging Funfares aus Düsseldorf eröffnet, deren Chef Stefan Kleinehr gleichzeitig Vizepräsident des Comitees Düsseldorfer Carneval (CC) und Manager der kölschen Bands Brings ist. Gespielt wurden eher besinnliche Lieder wie der „Stammbaum“ der Fööss oder „Verdamp lang her“ von Bap. Gemeinsam zogen die Traditionskorps der Blauen Funken und der Altstädter von der Schildergasse zur Bühne auf dem Neumarkt. Auch hier fand sich das Transparent „Jeck noh Fridde“ an der Spitze des Zuges. Erstmals hatten sich zum Funkenbiwak alle neun Kölner Traditionskorps angesagt.