Dr. Matthias Hamann: Anders als im Frühjahr wissen wir jetzt genauer, wie wir in dieser Situation handeln müssen. Die Lernkurve im Veranstaltungsbereich ging steil nach oben. Das betrifft Absagen genauso wie den Umgang mit dem Publikum und mit den Honorarkräften, die Ausfallhonorare für bereits zugesagte Termine bekommen. Es ist mir wichtig, mit dieser Geste die Leute zu halten. Da sind wir in Köln bundesweit wohl die einzigen, die das so machen. Wir haben zudem gerade im digitalen Bereich viele Dinge angeschoben, um den verschiedenen Zielgruppen etwas bieten zu können. Wichtig ist, dass wir mit den Angeboten den Menschen einen Mehrwert bieten und die Chancen im digitalen Raum wirklich nutzen. Man kann zum Beispiel eine Bilderreise in einer Videokonferenz anbieten, bei der die Teilnehmer auch Fragen stellen können. Auch ein digitaler Rundgang durchs Mittelalter wäre möglich, bei dem die Bestände aus mehreren Museen miteinbezogen werden. So etwas wäre bei einer analogen Führung nicht machbar. Dazu kommen kreative Angebote zum Beispiel in Workshops. Ich hoffe, dass wir Ende des ersten Quartals damit an die Öffentlichkeit gehen können.
Kultur „Der Louvre und die Eremitage sind einen Klick weit vom Ludwig entfernt“
Wie erleben Sie die aktuelle Situation im zweiten Lockdown?
Welche Folgen hat der erneute Lockdown für die Museen?
Hamann: Das Museum für Angewandte Kunst wollte zum Beispiel eine Sonderausstellung zu dänischem Schmuck zeigen, die im deutsch-dänischen Kulturjahr laufen sollte und mehrfach verschoben werden musste. Nun hat das Museum mit einer digitalen Eröffnung eine sehr gute Alternative geschaffen. Aber das geht natürlich nicht immer. Zentral ist bei Sonderausstellungen, ob diese aus dem eigenen Bestand stammen und somit leichter verlängert werden können, als dies bei Ausstellungen mit Leihgaben wie bei „Warhol“ im Museum Ludwig der Fall ist. Da läuft die Uhr, und die Kosten können sich wegen der fehlenden Besucher nicht amortisieren. Beim Wallraf hat man da schon frühzeitig reagiert und den Start der Sonderschau zu „Signac“ auf den März verlegt. Bei „Resist!“ im Rautenstrauch-Joest-Museum geht es um den kolonialen Widerstand. Da wollte man mit internationalen Künstlern vor Ort bei Veranstaltungen arbeiten. Da stellt sich das Problem, ob Künstler zum Beispiel aus Afrika nach Deutschland reisen können.
Wie wurden die neuen digitalen Angebote genutzt?
Hamann: Die Klickzahlen sind bei den Kölner Museen nach oben gegangen. Auch die Wahrnehmung der Angebote in der Öffentlichkeit war gut. Allerdings steht man mit den digitalen Angeboten in einer weltweiten Konkurrenz. Der Louvre und die Eremitage sind nur einen Klick weit vom Museum Ludwig entfernt. Da muss man mit viel Qualität überzeugen. Um so mehr Erfahrung das Publikum mit der digitalen Museumswelt sammelt, umso kritischer wird es. Aber die digitalen Angebote sind auch eine große Chance, um mit Menschen in einen Dialog treten zu können, die gerade nicht die Möglichkeit haben, ins Museum zu kommen. Wichtige Themen sind hier das digitale Lernen und „Do it your self“-Kursangebote im kreativen Bereich.
Wie fällt die Bilanz nach der Wiedereröffnung im Frühsommer aus?
Hamann: Gerade nach der Eröffnung im Juni hatten wir gute Zahlen, die dann im Sommer wieder etwas nachgelassen haben. Was den Vergleich zu den Besucherzahlen im Vorjahr angeht, lagen die Kölner Museen zwischen 20 und 80 Prozent. Im bundesweiten Schnitt standen sie durchaus gut da. In anderen Städten wie Berlin mit seiner Museumsinsel waren die Häuser wegen der fehlenden Touristen teilweise auch gar nicht offen.
Ausgeblieben sind die Schulklassen und damit die jungen Besucher.
Hamann: Das ist auf jeden Fall ein wichtiges Thema. Wir hatten Hygienekonzepte erarbeitet, wie man Gruppen wie Schulklassen teilen kann, um Abstandsprobleme zu vermeiden. Der Druck auf die Schulen ist aber durch die vielen Unterrichtsausfälle teil enorm, sodass diese Museumsbesuche aus organisatorischen Gründen nicht realisieren können. Da müssen wir sehr darauf achten, dass Schulen nicht von solchen Angeboten entwöhnt werden. Dazu werden wir ab März verstärkt auf die digitale Fortbildung von Lehrern setzen. Es ist wichtig, Museen als Lern- und Bildungsorte zu erhalten.
Wie wird sich der Museumsbesuch in Zukunft ändern?
Hamann: Gerade bei großen Ausstellungen werden Zeitfenster und Reservierungen vorab im Internet ein wichtiges Thema sein, auch weil es wohl noch länger Beschränkungen bei den Besucherzahlen geben wird. Da geht es zudem um eine verstärkte Serviceorientierung. Das gilt zum Beispiel für Informationen über das Handy, wodurch ich sehen kann, wie voll die Häuser sind und ob ich direkt mobil ein Ticket buchen kann. Die langfristige Onlinebuchung bringt dagegen mehr Planungssicherheit. Allerdings müssen wir Kontingente für Menschen offen halten, die keinen Zugang zu den digitalen Angeboten haben.
Was erwartet die Besucher im kommenden Jahr in den Kölner Museen?
Hamann: Es gibt große Sonderausstellungen wie „Köln 1945“ im Stadtmuseum oder „Andy Warhol Now“ im Museum Ludwig, die noch bis in den April laufen werden. Im März kommt im Walraff die „Bon Voyage, Signac“-Ausstellung dazu. Das Museum für Ostasiatische Kunst hat eine Schau zu „100 Ansichten des Mondes“, bei der es um japanische Grafik geht. Eine weitere Ausstellung gibt es dort zur europäischen Asiendiplomatie. Im Ludwig findet in der zweiten Jahreshälfte die Ausstellung „Geteilter Picasso“ statt, bei der die Wahrnehmung seines Werks in der Bundesrepublik und in der DDR behandelt wird. Das Wallraf zeigt eine spannende Schau zum Thema „Maltechniken von Martini bis Monet“. Mehrere Museen sind beim Festival „Artists meets Archivs“ beteiligt, bei dem Künstler aus den Beständen der Häuser neue Ausstellungen schaffen. Im Schnütgen gibt es die Schau „Von Frauenhand“ über mittelalterliche Handschriften und „Resist!“ läuft im Rautenstrauch-Joest-Museum bis Anfang Juli.