Warnsignale einfach ignoriert

Professor kritisiert fehlende Maßnahmen nach Wassereinbruch im September 2008.

Köln. Die letzten Protokolle der Baustellenbesprechungen zum "Gleiswechsel Waidmarkt" nennen ihn eher beiläufig: Wegen des "hydraulischen Grundbruchs im September" werde "ein erneuter Verzug von voraussichtlich vier bis sechs Wochen auftreten".

Auch von "undichten Fugen" in den Baustellenwänden, die "verpresst" werden mussten, ist die Rede - allesamt Hinweise, dass es bereits ein halbes Jahr vor dem Unglück in der Severinstraße offenbar große Probleme mit eindringendem Wasser gab.

"Da hätten bei den Beteiligten alle rote Lampen angehen müssen", sagt ein renommierter Bauingenieur-Professor, der namentlich nicht genannt werden will, der Kölnischen Rundschau. "Das sind Vorankündigungen eines Zustands, den man nicht mehr beherrscht."

Einen hydraulischen Grundbruch halten Bauingenieure für die wahrscheinlichste Ursache des Unglücks. Dabei lenken die Außenwände der Baugrube das Grundwasser um: Es fließt die Wände hinunter, dringt von unten in die Baustelle ein und bricht den Boden auf. Bei dem Vorfall im September 2008 handelte es sich laut Bauherr KVB um einen "kleinen hydraulischen Grundbruch", über den man von den Baufirmen erst später informiert worden sei.

Nach Angaben des Geotechnik-Experten hätte man unverzüglich die durch das Grundwasser von unten bedrängte Baugrubensohle belasten müssen, "etwa mit Sandsäcken, Steinen und allem anderen, was auf der Baustelle vorhanden ist". Danach wäre nach Ansicht des Bauingenieur-Professors eine Zementinjektion angebracht gewesen, um die Baugrube nach unten abzudichten.

"Wenn all’ das nicht fruchtet, muss geflutet werden. Das bedeutet, die Pumpen der Grundwasserbrunnen müssen abgestellt und weiteres Wasser muss in die Baugrube gepumpt werden, um einen hydraulischen Grundbruch zu verhindern."

Eine Evakuierung der umliegenden Gebäude wäre nach Ansicht des Geotechnikers erst dann nötig geworden, sobald das Grundwasser auch Erdreich in die Baustelle gespült hätte. Das jedoch war laut der Protokolle angeblich nicht der Fall. "Zu keiner Zeit", heißt es dort, sei es "zu Bodeneintrieb an den undichten Schlitzwänden" gekommen.

Nach Ansicht des Fachmanns hätten die Baustelle und die umliegenden Gebäude nach diesen Warnsignalen streng beobachtet werden müssen. "Wasserdruck und Setzungen an Gebäuden müssen zwingend im Blick behalten werden."

Aufhorchen müssen hätten die am Stadtbahnbau Beteiligten nach Ansicht des Fachmanns dann wegen der Bewegungen am Stadtarchiv. Nach Rundschau-Informationen haben Messungen ergeben, dass sich das einen Monat später eingestürzte Gebäude allein vom 4. bis zum 5. Februar um sieben Millimeter gesenkt hat. "Das ist eine große Setzung innerhalb von nur 24 Stunden", sagt der Bauingenieur-Professor. "Das zeigt, dass unter dem Gebäude etwas passiert ist. Dem hätte man sofort nachgehen müssen."