Viele Insolvenzen durch Corona Mehr Firmenpleiten erwartet

Frankfurt/Main · Seit Beginn der Corona-Pandemie stützt der Staat die deutsche Wirtschaft mit Milliarden. Die Zahl der Firmeninsolvenzen sinkt auf ein Rekordtief. Ist die befürchtete Pleitewelle damit nur aufgeschoben?

Experten der Creditreform gehen davon aus, dass es 2022 erstmals seit langem wieder mehr Unternehmenszusammenbrüche geben wird.

Foto: Creditreform

Mehr Firmeninsolvenzen, aber keine Pleitewelle: Experten gehen davon aus, dass es nach einem Rekordtief im Corona-Jahr 2021 im kommenden Jahr erstmals seit langem wieder mehr Unternehmenszusammenbrüche geben wird. „Wir gehen zwar nicht von Insolvenzwelle aus, rechnen im kommenden Jahr aber mit einem Anstieg insbesondere im Handel und der Gastronomie. Im gewerblichen Bereich dürften die Zahlen stagnieren“, sagte der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. Es wäre demnach der erste Anstieg der Firmeninsolvenzen seit dem Jahr 2009.

Nach am Mittwoch veröffentlichten Daten der Wirtschaftsauskunftei sinkt die Zahl der Unternehmenspleiten im laufenden Jahr dank staatlicher Corona-Hilfsmilliarden auf den niedrigsten Stand seit Einführung der Insolvenzordnung 1999. Creditreform geht von 14 300 Fällen aus, das wären 10,8 Prozent weniger als ein Jahr zuvor und halb so viele Firmen-Pleiten wie 2012.

Eine genaue Prognose für das kommende Jahr gab Creditreform nicht ab. „Alles hängt davon ab, wie sich die Pandemie weiterentwickelt und ob es wieder zu Eingriffen ins Wirtschaftsleben kommt“, sagte Hantzsch. Schwierig könnte es unter anderem für Firmen werden, die Corona-Hilfskredite der staatlichen Förderbank KfW in Anspruch genommen hätten. „Während auf der einen Seite das Eigenkapital schrumpft, belasten die aufgenommenen Kredite die Unternehmen langfristig. Wenn jetzt noch eine größere Krise kommt, dürfte vielen dann endgültig die Puste ausgehen.“
Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet im kommenden Jahr ebenfalls mit mehr Firmenzusammenbrüchen in Deutschland. 2022 dürften die Zahl der Pleiten auf etwa 16 300 Fälle nach geschätzt rund 15 000 Insolvenzen in diesem Jahr steigen, sagte Euler Hermes-Experte Maxime Lemerle Anfang Oktober. Eine Pleitewelle droht nach seiner Einschätzung damit jedoch nicht: „Es ist weiterhin ein sehr niedriges Niveau der Fallzahlen.“

Auch im laufenden Jahr wurde trotz teils massiver Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie, die insbesondere Gastronomie, Handel und Tourismus hart trafen, eine Insolvenzwelle durch staatliche Unterstützung verhindert. „Die Kehrseite der Medaille ist aber die wachsende Zahl an potenziellen Zombieunternehmen, deren Entstehen durch die weiter fortgeführte Subventionspolitik gefördert wird“, warnte Creditreform-Experte Hantzsch.

Die Deutsche Bundesbank sah zuletzt allerdings keine Anzeichen, dass eigentlich nicht überlebensfähige Firmen mit staatlichen Hilfsgeldern künstlich am Leben gehalten werden. „Wir sehen im Moment keine Hinweise darauf, dass wir eine Zombifizierung bekommen“, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Aber man müsse die Lage im Unternehmenssektor sehr genau beobachten. „Wir wollen sicherlich nicht in eine Situation kommen, dass wir Insolvenzen verschleppen.“

Die staatlichen Corona-Wirtschaftshilfen und die Regelungen zur Kurzarbeit wurden jüngst bis Ende März 2022 verlängert. Nach Einschätzung der privaten Banken wird dies eine Pleitewelle in Deutschland verhindern. Die Stimmung in den Unternehmen habe sich zuletzt zwar deutlich eingetrübt, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) Christian Ossig jüngst. „Eine große Pleitewelle erwarten wir aber nach wie vor nicht.“ Allerdings könnten den BdB zufolge die kommenden Monate für einige Unternehmen brenzlig werden. „Insbesondere kleine Unternehmen weisen vereinzelt erste Eigenkapitallücken auf“, schrieb der BdB.

Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. Nach Daten von Creditreform steigt die Zahl der Pleiten von Kleinstunternehmen mit einem jährlichen Umsatz von unter 250 000 Euro in diesem Jahr gegen den Trend auf 7340 Fälle. Im Vorjahr wurden hier noch 7290 Insolvenzen gezählt. „Mit Andauern der Corona-Krise hatten diese Firmen immer weniger Reserven“, erläuterte Creditreform.

Um eine Pleitewelle in der Corona-Krise 2020 abzuwenden, hatte der Staat zeitweise auch die Pflicht zum Insolvenzantrag bei Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt. Seit dem 1. Mai des laufenden Jahres gilt die Insolvenzantragspflicht wieder vollumfänglich. Ausnahmen gibt es noch für Betriebe, die im Sommer Schäden durch Starkregen oder Überflutungen erlitten haben.

(dpa)