Doku über Helge Achenbach wird in Köln gezeigt Die Wandlung des Helge Achenbach

Düsseldorf/ Köln · Die Dokumentation „Der Illusionist“ zeigt Helge Achenbachs Wandlung vom Saulus zum Paulus. Premiere feiert der Film am Dienstag.

Kaarster Idyll: Szene aus dem Dokumentarfilm „Der Illusionist“ mit Helge Achenbach.

Foto: Filmstill "Der Illusionist"/Filmstill "Der Illustionist"

Noch immer ist der Kunstmarkt ein Tummelplatz für Vermögende. Objektive Werte gibt es trotz Kunstkompass nicht. Die Grauzonen allein bei der Preisfindung und der Auslegung der Rechnungen sind riesig. Der ehemalige Kunstberater Helge Achenbach kennt sich da aus. Er hat lange genug das Spiel mitgemacht, hat Familien wie Albrecht (Aldi) und Viehof, aber auch Künstler betrogen und Urkunden gefälscht. Die Schadensersatzforderungen belaufen sich auf 16,1 Millionen Euro. In seinen „Bekenntnissen eines Kunsthändlers“ bestätigt er den Kunstmarkt als Monopoly-Spiel im globalen Turbokapitalismus. Doch die Produzentin und Regisseurin Birgit Schulz lässt Gnade walten. In ihrem mit Spannung erwarteten Dokumentarfilm ist er der „Illusionist“, der sich vom Saulus zum Paulus wandelt und im Beuys‘schen Sinn den Menschen zu einem kunstvollen Eiland verhilft. So können die öffentlich-rechtlichen Sender und die Film- und Medienstiftung NRW ohne schlechtes Gewissen Hilfestellung leisten.

Wer Enthüllungen erwartet, wird enttäuscht. VIPs bleiben ausgespart. All die Reichen ließen sich zwar einst von „ihrem Helge“ in den Monkey’s-Restaurants bewirten, aber vor die Kamera treten sie nicht. Der Film beginge Harakiri, würde er eine Albrecht-Witwe ohne deren Erlaubnis ablichten. Das Recht am eigenen Bild wie das Copyright an Kunstwerken etwa der Becher-Schule würden die Kölner Produktionsfirma teuer zu stehen kommen. So wird das eigentlich fast schon barocke Sittenbild mit all den schillernden Geschäften ausgespart. Stattdessen bietet der Film viele Monologe und schneidet Gesellschaftsszenen eher undeutlich an. „Der Illusionist“ endet sinnigerweise in der Kaarster Idylle eines Kulturbauernhofs.

Unter diesen Voraussetzungen ist der 135-minütige Streifen der Regisseurin Birgit Schulze solide. Er setzt leise, fast larmoyant mit der Ehefrau und späteren Ex-Frau Dorothee Achenbach ein und wirkt lange Zeit eher wie ein Hörspiel mit Monologen, wobei die Akteure en face in die Kamera sprechen. Das erinnert an einen Rechenschaftsbericht. Die Absurditäten kommen auf allzu leisen Sohlen und nur selten daher, wenn etwa der Künstler Heinz Baumüller mit roten Hosenträgern, Zahnlücke und immenser Körperfülle als Kontrastfigur zu Ex-Bild-Chef Kai Diekmann ins Rennen geschickt wird, der die Boulevardblätter gegen das „reine Feuilleton der Kunstkritik“ in Schutz nimmt. Baumüller muss kein Lager mit achtstelligen Millionen-Werten vorzeigen, ihm genügt ein Grinsen mit offenem Mund.

Wenn der legendäre Galerist Rudolf Zwirner, Mitbegründer und Preisträger der Art Cologne, das Wort ergreift, wird es bierernst, mit allzu bekannten Beobachtungen wie „Wo Geld fließt, kommen Leute, die Geld vermehren wollen“.

Der Hauptdarsteller entwickelt
im Film auch Schadenfreude

Achenbach hält dagegen, er könne nicht stunden- und tagelang als Galerist warten, bis ein Kunde kommt, dem er auch noch die besondere Schönheit eines Bildes erklären müsse. Der Hauptdarsteller entwickelt sogar Schadenfreude in Sätzen wie: „Weil wir national, später international gearbeitet haben, haben wir den Galeristen vors Knie getreten. Wir waren Störfaktoren im System, aber auch Multiplikator und Dynamo.“

Im zweiten Teil des Films spielt Achenbach die Rolle seines Lebens. Er darf sich permanent erklären, verteidigen, auch entschuldigen. Und zu guter Letzt greift er zum ausrangierten Farbeimer, der ihm als Futterbehälter dient, um die Schäfchen auf der grünen Wiese wie im Heimatfilm zu füttern. Zwar kommen bis zuletzt auch die spottenden Galeristen Rudolf Zwirner und Johannes König zum Zuge, doch der Schlussteil gehört nach dem Trauergesang der insolventen Ex-Frau dem süßen Leben: Hier sind Anne Berlit und Evelina Velkaite an der Reihe. Diese Versteherinnen stimmen Lobgesänge auf ihren Helden an. Die Kunstpädagogin aus der JVA Essen vergleicht ihn mit Robin Hood, und die blutjunge Geliebte erklärt, dass sie sich vor allem für den Menschen interessiere.

Schließlich beschreibt Achenbach, wie er nach der Haftentlassung den „bürgerlichen Tod“ stirbt, wie beim Neujahrsempfang des Springer-Verlags 300 Gäste durch ihn hindurchgeschaut hätten. Der Film zitiert zwar kurz vor dem Abgesang noch einmal den Unmut der Händler, wenn Johann König Unterscheidungshilfen für seine Klientel plant, damit diese zwischen einem marktkonformen Gerd Müller und einem No-Name gleichen Namens unterscheide, doch dann geht es mit dem Film ab in die Idylle. Schade, hier kommt der Film zu früh. Die Aufnahmen zeigen nicht mehr die herbstliche Pracht mit Tausenden von Sonnenblumen auf dem neuen Naturstreifen rund um den Kaarster Baggersee, sondern nur die Anfänge auf dem noch zarten Grün des Auskiesungsgeländes. Die tolle Idee, die der bekehrte Achenbach tatsächlich in seinem „Park der Sinne“ in die Realität umsetzt, dieses Wunder aus Natur und Kunst am Rande der Großstadt, ist in der Wirklichkeit grandioser als im Film. Wieder kommen keine Millionäre, Banker, Immobilienhändler und Architekten ins Bild, denn auch gute Taten wollen im Verborgenen getätigt werden. Doch immerhin: Die Prominenz von Kaarst zeigt sich beglückt im Schlussbild. Und der Kinogänger ahnt, dass der „Illusionist“ das Feld bestens bestellen wird.