Wolf zurück in NRW So will NRW mit Wölfin „GW954f“ umgehen

Düsseldorf · Am Niederrhein hat sich eine Wölfin angesiedelt. Die Landesregierung hat ein 960 Quadratkilometer großes „Wolfsgebiet“ ausgewiesen. Fachleute geben Tipps, wie sich Menschen bei einer Begegnung mit dem Tier verhalten sollten.

Ein Wolf im Tierpark Hexenberg – eine wilde Verwandte lebt jetzt bei Wesel.

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Der erste Wolf, der nach mehr als 150 Jahren wieder in Nordrhein-Westfalen heimisch geworden ist, hat einen schmucklosen Namen: GW954f. Diese Kennung trägt die Wölfin, die offensichtlich ein Gebiet rund um Schermbeck bei Wesel als Revier erkoren hat. Nur Wölfe mit einem Sender bekommen auch einen richtigen Namen, heißt es vom Landesumweltamt (Lanuv) – und bisher war es schwer genug, überhaupt an GW954f dranzubleiben, es ging nur durch genetische Tests an ihrer Beute. Aber nun sind die Experten sicher: „Sie ist gekommen, um zu bleiben“, sagt NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Sie hat das erste „Wolfsgebiet“ in Nordrhein-Westfalen ausgewiesen.

Das Gebiet umfasst Dinslaken, Oberhausen, Bottrop und im Osten Dorsten, es grenzt im Westen an den Rhein, reicht bis hinter Hamminkeln und Rees im Norden hinauf – knapp 960 Quadratkilometer. Ein Schutzgebiet ist es nicht. Das ist gar nicht nötig, erläutert die Umweltministerin: „Der Wolf genießt ohnehin den allerhöchsten Schutz.“ Vielmehr sei diese umgrenzte Region zugleich „Förderkulisse“: Schaf- und Ziegenhalter sollen staatliche Hilfen bei der Anschaffung von wolfssicheren Elektrozäunen erhalten – aber auch eine hundertprozentige Entschädigung, wenn GW954f ein Tier reißt. Und das tut sie als sogenannter „großer Beutegreifer“ natürlich – allein fünf Schafe in Wesel im August.

Junge Wölfin stammt von einem Rudel in Niedersachsen

Die junge Wölfin gehörte zu einem Rudel, das schon länger nahe dem niedersächsischen Schneverdingen lebt. 2016 bekam die Familie dort zum ersten Mal Nachwuchs, sagt Matthias Kaiser, Leiter des Fachbereichs Artenschutz beim Lanuv. Sie kann also höchstens zwei Jahre alt sein. Irgendwann begab sie sich dann auf Streifzug, wanderte bis in die Niederlande – aber in NRW hatte es ihr offenbar so gut gefallen, dass sie zurückkehrte.

Foto: grafik

Das Tier selbst bekommt man im „Wolfsgebiet“ allerdings kaum zu Gesicht. Den ersten Beweis lieferte im April eine DNA-Probe von einem gerissenen Schaf. Auch im Juni wurde der Speichel von GW954f wieder an einem Kadaver nachgewiesen. Jetzt werden Fotofallen installiert, damit auch mal ein fröhlicherer Beweis für ihre Existenz gelingt.

Die jüngste Geschichte in NRW zeigt, die zwei Seiten einer Medaille: „Wir sind zwiegespalten“, sagt Heinen-Esser. „Auf der einen Seite freut sich das Herz der Artenschützer. Auf der anderen Seite wissen wir um die Sorgen der Tierhalter.“

Junge Wölfe sind neugierig und nähern sich Menschen. Gefährlich sind sie aber nicht.

Foto: picture alliance/dpa/Patrick Pleul

Mit größtmöglicher Transparenz will die Landesregierung dem Problem begegnen. Denn der Rheinische Landwirtschafts-Verband fordert bereits, auffällige Wölfe, die wiederholt Weidetiere angreifen, zu „entnehmen“ – also im Extremfall zu töten. Diesem Vorstoß erteilt die Umweltministerin eine klare Absage: „Das geht nicht!“ Am Montagabend luden die Experten zu einer öffentlichen Info-Veranstaltung in Schermbeck ein.

Zudem gibt es im Internet ein eigenes Wolfsportal unter www.wolf.nrw mit generellen Informationen über die Tiere, einer interaktiven Karte zu allen Wolfsnachweisen im Bundesland und einer Übersicht über Nutztierrisse – von den nachgewiesenen durch Wölfe über Falschmeldungen bis zu den Verdachtsfällen, bei denen letztlich ein Hund der Schuldige war.

Einig sind die Fachleute, dass von der Schermbecker Wölfin keine Gefahr für Menschen ausgeht. „Es gibt Nahbegegnungen von Menschen mit Wölfen“, sagt Kaiser vom Lanuv. Gerade junge Wölfe seien neugierig. Zudem zögen Haushunde – insbesondere läufige Hündinnen – sie an. Sie hielten aber in der Regel einen gebührenden Abstand.

Passanten, die auf einen Wolf treffen, sollten laut sprechen, klatschen, auf sich aufmerksam machen: „Der Wolf muss eine Chance haben, sich zurückzuziehen.“ Das tue er langsam und so sollte es auch der Mensch nachmachen. Wer wegrenne, könne den Verfolgungsinstinkt wecken.

Unklar ist, ob mit der ersten NRW-Wölfin bald auch das erste NRW-Rudel entsteht. Matthias Kaiser: „Es gibt Beispiele von Wölfen, die über Jahre allein geblieben sind.“

Im Falle eines Weibchens aus Mecklenburg-Vorpommern, das bis nach Belgien wanderte, sei kurze Zeit später ein Rüde gefolgt und habe sich mit ihr niedergelassen.

Im schlimmsten Fall mache GW954f es wie eine Thüringer Wölfin, die lange allein auf einem Truppenübungsplatz herumstreifte und sich dann mit einem Haushund einließ: Solche „Hybriden“ sind nicht erwünscht, sie werden eingefangen – oder erschossen.