Polyamore Beziehung „Ich liebe mehr als nur einen Menschen“

Wuppertal · Dirk Weihrauch und Catharina Henning leben jeweils in einer polyamoren Beziehung. Sie sprechen über Probleme und Ängste, aber auch das Glück, genau das ausleben zu können, was sie brauchen. Ein Gespräch über Liebe zu mehreren Personen.

Dirk Weihrauch und Catharina Henning mit unserer Autorin Tanja Bamme (rechts) bei der Aufnahme des Podcast.

Foto: Bamme

Wie ist es, in einer polyamoren Beziehung zu leben? Sein Leben also nicht nur mit einer Person zu verbringen, sondern seine Liebe und körperliche Zuneigung auf mehrere Menschen zu verteilen? Catharina Henning und Dirk Weihrauch leben das alternative Beziehungsmodell bereits seit einigen Jahren.

„Ich bin seit 2008 mit einer wundervollen Frau verheiratet, aber die Zweisamkeit ging verloren, weil unsere Tochter neun Jahre lang ständig mit im Bett geschlafen hat“, erinnert sich Dirk Weihrauch, der sich damals in einen Seitensprung flüchtete. Beinahe zeitgleich überkam auch seine Frau Ida das Bedürfnis, Liebe und Zuneigung bei einem anderen Partner zu suchen.

Was bei vielen Menschen zu einem Bruch der Beziehung geführt hätte, hat das Paar nur weiter zusammengeschweißt. „Wir haben uns abends vor dem Fernseher darüber unterhalten und die Offenheit über die Gefühle und Wünsche des Anderen waren essentiell für das gegenseitige Verständnis. Von Eifersucht oder gar Ärger war gar keine Spur“, so der aus Nürnberg stammende Familienvater.

Nach zahlreichen Gesprächen merkten beide, dass eine polyamore Beziehung der Lösungsweg für vorher unlösbare Probleme sein könnte. „Und wir sind seitdem sehr glücklich, dass wir den Weg eingeschlagen haben.“ Heute führt Dirk Weihrauch zwei Beziehungen. Seinen „Herzensmenschen“ hat er in Leipzig gefunden. „Dafür werden auch mal mehrere Kilometer Fahrt in Kauf genommen, um miteinander Zeit zu verbringen“, berichtet er. Um Sex geht es dem Mitarbeiter eines IT-Unternehmens übrigens nicht. „Eigentlich bin ich eher der Kuschelbär. Meine Frau braucht die sexuelle Ebene deutlich mehr als ich“, sagt er.

Dirk Weihrauch mit Partnerin Ida.

Foto: Privat

Es ist leichter, wenn sich die Partner untereinander verstehen

Bei Catharina Henning sieht das Modell ähnlich aus. Seit 2017 ist sie verheiratet, hat mit ihrem Mann eine vierjährige Tochter. Zusammengekommen ist das Paar bereits mit der Prämisse, die Beziehung irgendwann auch für andere Partner zu öffnen. „Ich habe schon vorher mit der polyamoren Szene Kontakt gehabt und auch PAN-Treffen (polyamore Netzwerktreffen) besucht. Dort gibt es verschiedene Workshops zu dem Thema und man lernt zahlreiche Leute kennen“, so Henning, die heute mit drei Partnern eine Beziehung führt. Eine organisatorische Mammutaufgabe ist das für sie jedoch nicht. „Die Männer verstehen sich auch untereinander sehr gut und verbringen Zeit miteinander. Das macht es für mich leichter.“

Dass mitunter auch mal mit fünf Leuten gleichzeitig im Bett geschlafen wird, ist für die junge Mutter gar kein Problem. „Aber es geht dabei ums Schlafen, nicht um das miteinander schlafen. Wenn ich mit einem Partner Sex haben möchte, mache ich das in einem anderen Raum. Da ist es auch vollkommen okay, wenn mein Mann beispielsweise im Wohnzimmer auf der Couch sitzt. Anders herum wäre es natürlich auch kein Problem für mich.“

v.l.: Partner 3 von Cathi, Cathi, in der Mitte Cathis Mann, hinten Partner 2 und ganz rechts Cathis Metamour, also Partnerin von Partner 2.

Foto: Privat

Was für Dirk Weihrauch und Catharina Henning mittlerweile zum Alltag gehört, ist für Freunde, Familie und Nachbarn nicht immer leicht zu verstehen. „Aus einer Wohnung mussten wir bereits ausziehen. Und auch mit unseren jetzigen Vermietern gibt es Ärger“, so Henning, die sich nach alternativen Wohnformen umguckt. „In Hannover entsteht derzeit ein Wohnprojekt, das auch ein Polyhaus beinhaltet. Darin lassen sich mehrere Zimmer und kleinere Wohneinheiten finden. Und auch Gemeinschaftsräume sind vorhanden. Da möchten wir gerne einziehen“, erklärt sie.

Auch für das persönliche Umfeld von Dirk Weihrauch war der Schritt in die Polyamorie nicht leicht. „Was uns jedoch wichtig war, ist die Akzeptanz unserer Tochter. Und die hat uns die Erklärung quasi vorweggenommen, als sie eines Abends am Tisch erzählte, dass sie sich kein Leben mit nur einem Menschen vorstellen kann. Das war der Knoten für uns geplatzt und wir mussten unsere Beziehungen nicht mehr verheimlichen“, erinnert sich Weihrauch.

Verantwortungsgemeinschaft, der Schlüssel zur Gleichberechtigung

Die Poly-Community wächst. Und so wachsen auch die Anforderungen an die Gesellschaft, die sich immer intensiver mit dem Thema auseinandersetzt. Auf Bundesebene wird derzeit an einem Gesetzesentwurf gefeilt, der Partnern ohne Eheschein die gleichen Rechte zusprechen soll, wie verheirateten Personen. „SPD, FDP und Bündnisgrüne möchten diese Verantwortungsgemeinschaft zeitnah auf den Weg bringen. Das ermöglicht es uns, auch die anderen Partner in wichtige Entscheidungen mit einzubeziehen“, klärt Catharina Henning auf, die schon jetzt als Zeichen der Zugehörigkeit mit jedem Partner einen Freundschaftsring teilt.

Eine Mehrfachehe, die sogenannte Polygamie, ist in Deutschland übrigens laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 1306 verboten und wird mit Freiheitsstrafe und Geldbußen geahndet. Unter die Polygamie fällt die Polygynie, die Vielweiberei, die beinhaltet, dass ein Mann mit mehreren Frauen verheiratet ist. Die Polyandrie, Vielmännerei, stellt das Gegenteil dar. In mehr als 40 Ländern ist die Polygamie noch erlaubt, darunter beispielsweise in Afrika, Saudi-Arabien und Indonesien.