Gesellschaft „Drogensüchtige sind auch Menschen mit Gefühlen“

Der Verein Freundes- und Förderkreis Suchtkrankenhilfe sucht ab September neue Bundesfreiwillige.

Lena Plaumann wird täglich mit verschiedenen Formen der Abhängigkeit konfrontiert.

Foto: Schwartz, Anna (as)

An Bahnhöfen sieht man Drogenabhängige häufig in Gruppen zusammenstehen. Sie wirken oft verwahrlost, ihre Kleidung ist meist nachlässig und ungepflegt oder sie fallen auf, weil sie sich nicht unter Kontrolle haben. Kurzum: Drogensüchtige gelten als Menschen, um die viele lieber einen großen Bogen machen. Julia Koch und Lena Plaumann haben sich mit der Wahl ihres Bundesfreiwilligen Dienstes einen Ort ausgesucht, an dem sie täglich mit verschiedenen Formen der Abhängigkeit konfrontiert werden. Sie arbeiten in Einrichtungen des Vereins Freundes- und Förderkreis Suchtkrankenhilfe (FFS) in Wuppertal. Der Verein hat etwa 100 Mitarbeiter in ambulanten Einrichtungen und Angeboten für suchtkranke Menschen und ihre Angehörige im Raum Wuppertal und im Kreis Mettmann.

Julia Koch absolviert ihren Bundesfreiwilligendienst im Gleis 1 am Döppersberg. „Das ist ein niedrigschwelliges Angebot, um die Szene zu erreichen“, sagt Karin Proft, Diplom-Pädagogin bei der Freundes- und Förderkreis Suchtkrankenhilfe. Hier gibt es unter anderem eine Beratungsstelle, einen Drogenkonsumraum und ein Café. „Das Café ist unser Kontaktladen“, sagt Christian Aisch, der die Bundesfreiwilligen betreut. Die Arbeit funktioniert ähnlich wie beim Streetwork. „Wir schauen, wie die Stimmung ist und welche Probleme die Suchtkranken haben“, sagt er. Teilweise können die Sozialarbeiter selbst helfen. Falls nicht, vermitteln sie Hilfsangebote.

Gleichzeitig stellt das Gleis 1 die grundlegende Versorgung mit günstiger Nahrung und Getränken sicher. „Es ist ein Überlebensangebot, weil einige Menschen so in ihrer Sucht verhaftet sind, dass sie es nicht mehr schaffen, die tägliche Hygiene aufrechtzuerhalten“, sagt Aisch. Als Bundesfreiwillige hilft Julia Koch im Café Getränke und Speisen auszugeben oder sucht in der Kleiderkammer Sachen heraus. Zu ihren Aufgaben gehört auch, den Klienten im Computerraum und mit der Waschmaschine zu helfen. Manchmal begleitet sie Gäste zu Behörden. „Anfangs ist es schon eine Umstellung, mit Süchtigen zu arbeiten“, sagt Julia Koch. Man müsse mehr Geduld haben und damit rechnen, dass jemand betrunken oder unter Drogeneinfluss ins Gleis 1 komme.

Klienten sind größtenteils
süchtig und obdachlos

„Man sieht, dass viele Menschen versuchen, von ihrer Sucht loszukommen und warum es nicht klappt“, sagt Julia Koch, die ab dem Sommersemester 2021 Soziale Arbeit studieren möchte. Die Klienten sind größtenteils süchtig und obdachlos. Julia Koch hat aber gelernt, mit weniger Vorurteilen auf Menschen zuzugehen. „Häufig ist man durch das äußere Erscheinungsbild abgeschreckt, aber ich kann aufgrund ihrer Geschichten anders auf die Menschen blicken“, sagt Julia Koch. Abstand hält sie zu der Arbeit, in dem sie sich klar macht: „Es sind erwachsene Menschen, die eine eigene Entscheidung getroffen haben“, sagt Koch. Es gebe genügend Angebote in Wuppertal, die man annehmen könne. Sie weiß aber auch, dass der Impuls, von den Klienten kommen muss.

Das Café OK in Unterbarmen ist eine Kontakt- und Beratungsstelle. Es wird von Alkohol- und Medikamentenabhängigen sowie Drogenabhängigen aufgesucht, die als Ersatz zum Beispiel Methadon nehmen. „Die Klienten dürfen weder alkoholisiert sein noch unter Drogen stehen, wenn sie das Café OK besuchen“, sagt Karin Proft. Die Bundesfreiwillige Lena Plaumann ist bei Beratungsgesprächen dabei, übernimmt den Thekendienst im Café oder hilft bei Angeboten wie Basteln, Backen oder Yoga. „Wir haben hauptsächlich Stammgäste, die täglich kommen. Viele seit 25 Jahren“, sagt Lena Plaumann. Überfordert habe sie sich im Kontakt mit den Suchtkranken nie gefühlt. „Die Menschen freuen sich, dass man ihnen zuhört und nachfragt“, sagt Plaumann, die als Bufdi gelernt hat, wie man mit Menschen spricht.

Christian Aisch, der die Bundesfreiwilligen betreut, glaubt, dass das freiwillige Jahr eine interessante Erfahrung sein kann. „Drogenkonsum wird meist negativ dargestellt. Hier kann man erleben, dass es auch nur Menschen sind, die Gefühle haben.“