Ausstellung Ausstellung zu Gerhard Hoehme, der jetzt 100 Jahre alt geworden wäre
Düsseldorf · In der Akademie-Galerie am Burgplatz wird am 5. Februar eine Retrospektive des berühmten Malers und Installationskünstlers eröffnet.
Gerhard Hoehme (1920 bis 1989) war einst Star der jungen Düsseldorfer Szene. Er erhielt 1954 den ersten Förderpreis der Stadt Düsseldorf, war 1954 bis 1956 Vorsitzender der „Gruppe 53“ und sorgte dabei für Dynamik, Energie und Aufbruchstimmung. Auf den Documenta-Teilnehmer von 1959 und langjährigen Professor der Kunstakademie aufmerksam zu machen, ist ein Gebot der Stunde. Punktgenau zu seinem 100. Geburtstag zeigt die Akademie-Galerie eine Retrospektive, die im Beisein von Rektor Karl-Heinz Petzinka eröffnet wird.
Der Künstler stammt aus Greppin, unweit von Dessau, wo die Bauhäusler Klee und Kandinsky seine Leitbilder wurden. Wie Beuys und Geiger war er Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg und befand sich umgeben von „Licht, Unendlichkeit, ständiger Veränderung und einer immerwährenden Bewegung im Raum“, wie er es nannte. Nach Krieg und Gefangenschaft studierte er in Halle/Burg Giebichenstein, dem einstigen kunstgewerblichen Ableger des Bauhauses, beim Schriftschöpfer Herbert Post. In Düsseldorf schrieb er sich beim Grafiker Otto Coester ein. Beides, die Fliegerei sowie die visuellen Kürzel und „Lebensfäden“ prägten sein Werk. Sie gipfeln im „Römischen Brief“ (1960), den die Staatsgalerie Stuttgart nicht auslieh, und im „Berliner Brief“ von 1966 aus der Schatzkiste der Sammlung Ströher.
Während der Römische Brief Schlagworte, Wortspiele und Satzfetzen collagiert, übersetzt der Berliner Brief das bildhaft Geschriebene in reine Malerei und gibt zugleich ein sehr genaues Porträt der zweigeteilten Stadt. Längst vergessene Begriffe wie „Reelle Besohlanstalt“ oder „Stuben- und Schilddermaler“ und unzählige Bestattungsunternehmen tauchen auf. Im Westen herrscht Reklame-Vielfalt, im Osten präsentiert sich das Brecht-Ensemble als „das beste deutsche Theater“, neben Schriftzügen wie „Kampftruppen der Arbeit“, „rote Brigade“ oder „VEB Blütenweiß“. Das Bild enthält aber auch Verblüffendes wie „Chagalls Geschwister malen Verse auf meine Zunge“. Beide Bildwelten werden in zarten Farben und in Logos wie „Berliner Kindl“ zur Einheit gebracht.
Von der Rheinlandschaft in die Abstraktion der Farbe
Die Ausstellung am Burgplatz ist chronologisch gehängt. Sie beginnt in einer behutsam klassischen Gegenständlichkeit mit Blick auf die Rheinlandschaft, wohnte Hoehme doch anfangs nur wenige Meter vom linken Rheinufer entfernt. Der Blick auf das Ökotop mitsamt den umgekippten Bäumen taucht nun in informeller Malweise auf.
1957 bricht mit dem „Borkenbild“ die Farbe auf. Auf einer Holzplatte lässt sich die Ölpaste misslungener Bilder abziehen, umdrehen und zum neuen Bild spachteln. Er spürt nun die Farbe „elementar“, wie er es nennt, kratzt sie weg, dreht sie um, malt drauf. In „Beule“ bemüht er sich, die Malerei über den Rand zu drängen. Er experimentiert mit Kästen, Schnüren, Drähten, Fäden und Glas, das er von vorn und hinten bemalt.
Er begleitet seine Schritte mit Texten. So schreibt er auf die Einladungskarte der Galerie 22 zu Arbeiten von 1957: „Meine Sehnsucht war der weitere Raum, der dritte, vierte, fünfte – nach oben, zur Seite, nach vorn, ja sogar nach hinten, aber ohne illusionistische Tiefe.“ Diese Sprache sollten wenig später auch die Zero-Künstler Mack und Piene verwenden, nachdem sie der Gruppe 53 für ein Jahr beigetreten waren.
Er arbeitet nun mit Kordeln, Maschendraht und Polyester. Als 1958 die Rauschenberg-Ausstellung zu sehen ist, fühlt er sich bestätigt. Hier wie dort offene, sich dreidimensional ausdehnende Bild-Systeme. Als 1959 die Dada-Ausstellung für Furore sorgt, findet er einen weiteren Geistesverwandten in den Wort-Bildern von Kurt Schwitters.
Er untersucht und versucht, mit Schnüren wie Fühlern von der Flachware des Bildes in den Raum zu dringen. Oder er setzt den porösen Lavastein auf ein Kunststoffplättchen vor die luftige, leichte Farb-Leinwand, während er sich 1981 in einem Freisemester zwischen Himmel und Erde am Ätna aufhält.
Farbige Schnüre produziert er in den Maschinen der Chemiker
„Flieg Vogel flieg“ heißt es im letzten Raum. Die Kunststoffbänder drängen nun demonstrativ aus dem Shaped canvas und werden an den Enden schmal wie Fußangeln. Er setzt bei der BASF die Farben direkt in den Extruder und zieht die dünner werdenden Schnüre auf der Maschine. Das schönste Beispiel ist eine Schleife aus dem Wilhelm-Lehmbruck-Museum. Locker, leicht und scheinbar zufällig liegt der dreidimensionale Farbfluss auf dem Boden. Dazu setzt er einen kleinen Pfeil ein, als müsse er die Richtung angeben.
Er präsentiert im „Blaustrom“ den Rhein als Farblandschaft, und lässt den Strom sinnbildlich als blaue Schnur seitlich am Bildrand vorbeilaufen. Damit ihm spätere Generationen nicht ins Handwerk pfuschen, montiert er am oberen und unteren Bildrand transparente Kunststoffplättchen, die er durchlöchert, damit sich die durchgezogene Schnur am Rand entlang schlängelt, wo sie zielgenau parallel zum Boden aufkommt.
Das „Kameradenbild“ mit Zahlen und Kreuzen auf den Totenfeldern, auch die „Schnittmusterbögen“ und die weißen, ungemein poetischen „Damastbilder“, die er den Protesten des Joseph Beuys entgegensetzte, fehlen. Schade, denn in ihnen scheinen die Farben zu schlittern, zu schwimmen und in den Schatten umzukippen. „So ein Weiß wie auf Damast kann man nicht malen“, pflegte er zu sagen. Die Ausstellung ist jedoch eher auf die Malerei fixiert.
Dennoch ist sie ein Glücksfall, ein Fest zum 100. Geburtstag des Künstlers. Idee und Ausführung stammen von Vanessa Sondermann, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Kunstakademie. Sie zeigt sogar Projektionen seiner Glasfenster aus der Kirche der Missionari Verbiti (1964/65) in Nemi. Die Kuratorin erhält nun auch den Dank des Kunstpalastes, der die Gerhard und Margarete Hoehme-Stiftung betreut.
Info: Akademie-Galerie, Burgplatz 1, 5. Februar bis 26. April. Mittwoch bis Sonntag 12-18 Uhr. Katalog, ISBN 978-3-9819003-3-0, Druckerei Kettler.