Datenschutz: Zeugnisse werden wieder per Hand geschrieben

Die Unsicherheit durch die neue Datengrundverordnung ist an den Schulen ist groß. Eltern und Schüler müssen mit knapper ausfallenden Beurteilungen leben.

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Zurück zur Handschrift heißt das Motto bei den Lehrern der Grundschule in Kaiserswerth: Sie tippen am Ende dieses Schuljahres alle Zeugnisse nicht in den Computer, sondern schreiben sie fein säuberlich mit der Hand. Nicht in einem Anflug von Nostalgie oder Liebe zur eigenen Handschrift — sondern aus Sorge vor der neuen Datenschutzgrundverordnung. Die habe das Kollegium massiv verunsichert, wie Philipp Petersen, langjähriges Schulpflegschaftsmitglied und Vater von drei Söhnen, von denen einer in die vierte Klasse der Schule geht, sagt. Letztlich hätte dann ein Jurist dem Kollegium geraten, mit der Hand zu schreiben. Übrigens darf das dann auch nur mit einem „dokumentensicheren Stift“ geschehen, wie es im Fachjargon heißt. Konkret: Ein Kugelschreiber ist erlaubt, Füllfederhalter (bis auf Ausnahmen) und Bleistift nicht. „Das ist natürlich schon sehr skurril. Zwar haben viele Eltern und Lehrer darüber erstmal lachen müssen, aber das Ganze hat auch bedenkliche Folgen.“

Zunächst einmal müssen alle Lehrer, die Zeugnisse auf ihrem PC daheim abfassen, auf einer elfseitigen Erklärung versichern, dass ihr Rechner sicher im Sinne des Datenschutzes ist. Doch so ganz sei das Juristendeutsch laut Petersen nicht zu verstehen. „Ich würde mir wünschen, dass das Ministerium den Lehrern einfacher erklärt, was möglich ist und was nicht.“

Zwar gibt es noch die Möglichkeit, die Zeugnisse an den gesicherten Computern der Schule zu schreiben, doch auch das ist problematisch. Nur zwei stehen den 22 Lehrern permanent und zwei temporär zur Verfügung. „Das reicht natürlich nicht“, sagt Petersen. Hier werde auch deutlich, dass die Ausstattung der Schulen und Lehrer mit Computern deutlich zu wünschen übrigließe.

Die Schule an der Fliedner-straße will zu dem ganzen Fall gegenüber der Presse keine Stellung beziehen, lässt Schulleiterin Silke Rosengardt ausrichten. Dafür bestätigt auch die amtliche Schulaufsicht der Stadt den „Vorgang“: „Ja, die Grundschule Kaiserswerth wählt diese Lösung für sich bei der Zeugnisanfertigung — und daran haben wir nichts auszusetzen“, sagt Günter Benninghaus, der für den Datenschutz zuständige Experte bei der Schulaufsicht.

Die Frage ist nur, ob nicht die Schüler und ihre Eltern daran etwas auszusetzen haben, wenn sie am 13. Juli die Zeugnisse kriegen. Denn die dürften bei weitem sparsamer ausfallen als normalerweise. Hintergrund: Grundschul-Zeugnisse enthalten in den ersten beiden Klassen keine Noten, dafür aber ausführliche, individuelle textliche Beurteilungen der Kinder. Nun bestehen die zumindest zum Teil auch aus vorgefertigten Textbausteinen — die jedoch müssen die Klassenlehrerinnen komplett für jeden Schüler mit der Hand schreiben. „Das hat natürlich einen faden Beigeschmack. Wir Eltern wünschen uns die Bewertungen natürlich ausführlicher“, sagt Petersen.

Auch aus diesem Grund schreiben die Lehrer der Grundschule in Angermund die Zeugnisse trotz aller Unsicherheit wie bislang zu Haue am Computer, wie Petersen berichtet. Allerdings codiert. In den digitalen Dokumenten ist nur von „Kind 1“, „Kind 2“ und so weiter die Rede. Auf einer handschriftlichen Liste sind die richtigen Namen der Schüler vermerkt.

Die kurios anmutende Rückkehr ins ganz analoge Zeitalter ist gewiss nur ein Problem für Lehrer, das aus der neuen Datenschutzgrundverordnung erwächst. Allerdings war Datenschutz auch zuvor schon ein großes Thema an Schulen, denn natürlich muss überall sichergestellt werden, dass auch findigste Computerprofis unter den Schülern nicht an sensible Daten von Lehrern gelangen können — zum Beispiel an Noten, aber auch nicht (vorab) an Klausuren. Dementsprechend hört man immer wieder, dass sie auch keinerlei Schülerdaten auf mobilen Geräten speichern, keine persönlichen oder vertraulichen Informationen über ihr E-Mail-Konto versenden dürfen — auch nicht an Kollegen.

Die Bezirksregierung als Schulaufsicht verweist in diesem Zusammenhang auf die vom NRW-Schulministerium Anfang des Jahres angepasste „Dienstanweisung für die automatisierte Verarbeitung von personenbezogenen Daten in der Schule“ in Form eines Erlasses. Diese Dienstanweisung indes setze keine neuen Standards, sondern gebe lediglich die neue Rechtslage wieder, teilt eine Sprecherin auf WZ-Anfrage mit. Danach können private PCs von den Lehrkräften für die Erledigung ihrer dienstlichen Aufgaben eingesetzt werden, wenn die Schulleitung die Verarbeitung von Schüler- und Elterndaten schriftlich genehmigt. Das ist jedoch an einige Bedingungen geknüpft, unter anderem an die, dass ein „hinreichender technischer Zugriffsschutz“ auf die Daten besteht, wozu neben dem Passwortschutz auch ein abschließbares Arbeitszimmer gehört. Aber genau all diese Punkte müssten aus Sicht von Vater Petersen viel besser erklärt werden.