NRW Die Geschichte des Mörsenbroicher Eis

Mörsenbroich/Düsseltal · Jetzt wird die Fahrrad-Hochstraße diskutiert. Der Knotenpunkt sollte mehrfach umgebaut werden, passiert ist wenig.

Die Fahrrad-Hochstraße am Mörsenbroicher Ei wird in Kürze in der Fahrrad-Kommission diskutiert.

Foto: Projektschmiede

Vielleicht findet am Mörsenbroicher Ei bald eine Düsseldorfer Revolution statt: Politiker kündigen für die riesige Doppelkreuzung eine bauliche Verbesserung an – und dann setzen sie die Idee sogar in die Tat um. Thomas Jarzombek und seine Parteifreunde von der CDU stehen jedenfalls in der Pflicht: Sie haben im Bundestagswahlkampf, an dessen Ende Jarzombek wieder ins Berliner Parlament gewählt wurde, eine Fahrradhochstraße über die Doppelkreuzung vorgeschlagen, jetzt müssen sie zeigen, dass es sich dabei nicht nur um eine Fingerübung auf dem Stimmenfangklavier handelte. Die Düsseldorfer würden sich dann wundern, denn Umbaupläne für die Mega-Kreuzung hat es mehrfach gegeben, es ist aber fast nie etwas aus ihnen geworden.

Tatsächlich wird die Radhochstraße bald in einem Gremium besprochen. „Es kommt in einer der beiden November-Sitzungen auf die Tagesordnung der Radkommission“, sagt Christian Rütz (CDU), der Vorsitzende der Kommission. Man wolle die spannende Idee auch nach der Wahl weiterverfolgen und habe daher um eine Einschätzung durch die Verkehrsverwaltung gebeten. Dabei soll auch die geplante Ost-West-Route für den Radverkehr berücksichtigt werden. Sie ist eine der drei Radverbindungen, welche die schwarz-grüne Ratsmehrheit möglichst rasch ausbauen will.

Finanziell würde die Stadt kaum belastet. NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU), designierter neuer Ministerpräsident, sieht in dem Vorhaben ein Pilotprojekt und hat Fördergelder in 95-prozentiger Höhe angekündigt. Die Mittel kommen von Bund und Land aus dem Förderprogramm Stadt und Land, in dem sich 900 Millionen Euro für Radfahrprojekte befinden. Auf die lange Bank schieben sollte man das Projekt aber nicht, das Programm läuft bis 2023. Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) gibt sich entschlossen, er sieht am Mörsenbroicher Ei „die große Chance, den Radverkehr kreuzungsfrei, sicherer und komfortabaler zu führen“.

Beim politischen Partner hört man aufmerksam zu, Grünen-Fraktionssprecher Norbert Czerwinski kündigte an, man werde die CDU an ihre Ankündigungen erinnern. Luftschlösser sind am Mörsenbroicher Ei schließlich schon einige gebaut worden. Bereits kurz nach dem zweiten Weltkrieg entwarfen die Stadtoberen Pläne für den Knotenpunkt, an dem sich drei Bundesstraßen und drei Durchgangsstraßen treffen, sich zudem die Autobahn 52 anschließt. Es war eine Zeit, in der nicht klein, sondern groß gedacht wurde. Deutschland wurde aufgebaut, und als das Wirtschaftswunder begann, ging damit eine Zunahme der Mobilität einher. Düsseldorf wurde zur autogerechten Stadt, die Berliner Allee wie eine Schneise durch die Stadt geschlagen, der Tausendfüßler gebaut, dann folgte der
Kennedydamm.

Pläne für einen großen
Kreisverkehr bereits 1952

Bereits aus dem Jahr 1952 stammt ein Plan des Straßen- und Brückenbauamtes, der dem Mörsenbroicher Ei seinen Namen gab. Übrigens ein Name, der auf keinem Straßenschild steht. Der damalige Planungsdezernent Friedrich Tamms spricht in einem Brief, der im Stadtarchiv zu finden ist, sogar von einem „faulen Ei“. Die Fachleute entwarfen auf dem Papier einen großen Kreisel, auf den alle Straßen zuliefen. Die Idee war, diesen Kreisverkehr in die Höhe zu bringen, die anliegenden Straßen hätten also über Rampen auf die Verteilerebene geführt werden müssen. Das Ei lässt sich nur rudimentär an den heutigen Straßenverläufen ablesen, einzig der noch stehende alte Bau der Arag-Verwaltung lässt den Schwung der beabsichtigten Gestaltung erahnen.

Aus dem monströs großen Kreisel wurde nichts, auch weil man seine Leistungsfähigkeit anzweifelte. In den Düsseldorfer Zeitungen war derweil von einer „Verkehrsmühle“ mit unhaltbaren Zuständen die Rede, selbst mehreren „Verkehrsschutzleuten“ gelinge es kaum, den Verkehr einigermaßen im Fluss zu halten. Ende der fünfziger Jahre wurden Alternativen zur aufgeständerten Verteilerebene erarbeitet, die Planungen zogen sich bis in die sechziger Jahre. Im besagten Brief hatte Tamms bereits Hochstraßen angekündigt und das moderne Wort „flyover“ benutzt, dann tauchten Entwürfe auf, die an US-Städte erinnern – statt des Mörsenbroicher Eis gab es quasi einen Mörsenbroicher Schichtkuchen.

In einer Broschüre der Stadt wurde dies näher erläutert: „Der Betrieb muss sich in mehreren Ebenen abspielen. Der Ortsverkehr bleibt in der normalen Verkehrsebene und muss dort allerdings signalgeregelte Kreuzungen in Kauf nehmen. Der größte Teil des Fernverkehrs wird ins Souterrain verwiesen, wo er teils im offenen Einschnitt, teils im Tunnel verläuft. Schließlich ist als dritte Ebene eine Hochstraße vorgesehen.“ Auch von diesem Verkehrsungetüm verabschiedete sich die Stadt, obgleich Fördermittel schon avisiert waren und das Land verschnupft reagierte.

Zustande gebracht hat man schließlich Anfang der siebziger Jahre die Hochstraße zur Autobahn von der Grashofstraße aus. Auch wurde der nördliche Zubringer stadtauswärts dreispurig, in Gegenrichtung blieb dieser Ausbau ein frommer Wunsch. 2014 reihte sich die damalige Ampel-Kooperation in die Reihe der Träumer ein und fasste in ihrem Kooperationsvertrag die Umgestaltung des Knotenpunkts ins Auge, zwei Kreisverkehre sollten miteinander verbunden werden. Die Idee verflüchtigte sich.

Geblieben ist das Mörsenbroicher Ei, eine Umschlagplatz mit fast 100 000 Autos am Tag, so eine Zählung von 2016. Aber wer weiß, vielleicht wird es was mit dem Fahrradkreisel. Dann haben wenigsten die Radler ein bisschen Spaß an dieser scheußlichen Superkreuzung.