Die Visionen junger Designer
Die Hochschule lädt zum Rundgang ein. Die Absolventen befassen sich mit Alltäglichem und sehen genau hin.
Eine öffentliche Herrentoilette. Es gibt fünf Pissoirs und eine Kabine. Das Pissoir auf der ganz linken und das auf der ganz rechten Seite ist besetzt. Welchen Ort, sich zu erleichtern wählen Sie, wenn Sie nun den Raum betreten?
Das ist eines der Experimente, die Kexin Jiang für seine Masterarbeit im Fach Kommunikationsdesign an der Düsseldorfer Hochschule gemacht hat. Er widmet sich den so genannten Distanzzonen. Also: Welche Abstände gibt es im sozialen, räumlichen und psychologischen Bereich — von der „Armlänge Abstand“ bis zu kulturellen Unterschieden.
Thema des Tages
Design-Rundgang
Kexin Jiang ist einer von 104 Nachwuchsdesignern, die seit gestern ihre Arbeiten bei einem Rundgang durch den Campus an der Georg-Glock-Straße präsentieren. „Zum Kommunikationsdesign gehört nicht nur, etwas schön aussehen zu lassen, sondern auch, gesellschaftlich relevante Fragen zu stellen“, sagt Mone Schliephack, die einige der Studierenden als Professorin begleitet hat.
Solche gesellschaftlich relevanten Fragen hat sich auch Larissa Rauch bei ihrer Masterarbeit gestellt. Sie hat unter dem Titel „Studio Marathon“ Modelle entwickelt, die helfen sollen, den Bereich unter der Theodor-Heuss-Brücke neu zu beleben. „Ich wollte ein Fitnessstudio nach draußen holen“, sagt sie. Mit anspruchsvollen Übungen auf Schautafeln und Trainingsgeräten, die sich klar von einem Trimm-Dich-Pfad unterscheiden. Der Raum unter der Brücke als sportlicher Treffpunkt.
Ebenfalls mit dem öffentlichen Raum beschäftigte sich Alina Czeczinski bei ihrer Bachelorarbeit im Bereich Retail Design. Sie wohnt in der Nähe des Düsseldorfer Kirchplatzes und hat sich gefragt, wie man den Platz attraktiver machen könnte.
Für sie fängt alles mit dem Blick auf den Platz an. „Architekten blicken meist von oben auf die Orte. Ich wollte eher aus der Perspektive der Menschen, der Nutzer darauf sehen“, sagt sie. Für eine Belebung des Platzes hat sie drei Ideen entwickelt. Eine davon: Sie lässt die Kirche wie einen Urwald mit Moos und allerlei Grün bewachsen. Auf dem Platz könnte dann Yoga oder anderer Sport stattfinden. Die zweite Idee befasst sich mit Religion — oder eher mit deren Fernbleiben. Sie projiziert die Ersatzreligion Fußball auf Platz und Kirche. „Natürlich sind meine Modelle eher Visionen oder Utopien.“ Die dritte Idee beschäftigt sich mit der Trennung von Aktivitäten. In Düsseldorf gebe es Räume zum Einkaufen, zum Essen, zum Arbeiten — doch diese blieben oft getrennt. Auf dem Platz könnte man alle vereinen.
Im Keller des Gebäudes gibt es dann noch konkretere Werke. Die Schmuckdesignerin Kristina Wirsching hat filigrane Schmuckstücke hergestellt, bei denen man genau hinsehen muss. Zunächst scheinen die Ketten gleichmäßig zu fließen. Wenn man sie aber anlegt, merkt man, dass bestimmte Stellen verstärkt sind und anders fallen, als erwartet.
Hannah Diefenbach befasst sich mit „der Illusion der Selbstverständlichkeit“. Aus Holz hat sie Ringe gedrechselt, die sich dann bei der Weiterverarbeitung stark verzogen haben. Das vorhersehbare Material Holz erscheint also in unvorhersehbarer Form. Auch die Späne hat sie noch genutzt. In Porzellan eingelegt und dann bei 1200 Grad verbrannt, muss man sehr genau hinsehen oder sie sogar berühren, um zu verstehen, was da diese Skulptur bildet.
Diese und alle weiteren Arbeiten können Interessierte noch heute bis 16 Uhr im Campus Golzheim ansehen und auch mit den jungen Designern ins Gespräch kommen.