NRW Razzia: Neue Betrugsmasche aufgedeckt
Düsseldorf · Bei einem Einsatz gegen organisierte Kriminalität sind Ermittler auf eine neue Betrugsmasche gestoßen. Ein Verdächtiger sitzt in U-Haft.
Mutmaßlichen Drogenhandel im großen Stil haben Polizei und Staatsanwaltschaft in Düsseldorf bei einer Razzia am Donnerstag aufgedeckt. Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen hat eine Gruppe aus drei Hauptverdächtigen und neun weiteren möglichen Beteiligten mit großen Mengen Marihuana gehandelt, Hinweise gibt es auch auf den Verkauf von Kokain und Heroin, auf Geldwäsche, Betrug mit SIM-Karten und Urkundenfälschung. „Tatbestände quer durch das Strafgesetzbuch“ lägen vor, sagt Einsatzleiterin Heike Schultz und spricht von einem großen „Ideenreichtum“, mit dem die Verdächtigen neue kriminelle Geschäftsfelder eröffnet haben sollen.
Im Juni 2020 hatte die Polizei einen Hinweis darauf bekommen, dass in einem Handyladen in Düsseldorf-Stadtmitte Drogen verkauft würden. Das Ziel der Ermittler: Nicht nur das Mobilfunkgeschäft durchsuchen, sondern die Strukturen dahinter aufdecken, Abnehmer und Lieferanten identifizieren. Dabei deckten Polizei und Staatsanwaltschaft ein tief verwobenes kriminelles Netzwerk auf.
So wurde klar, dass einer der Beschuldigten ein sogenanntes Kryptohandy vom Anbieter „Encrochat“ nutzen soll, also ein modifiziertes Mobiltelefon, über das man verschlüsselt kommunizieren kann. Als „Whatsapp der organisierten Kriminalität“ wurde die Firma einst bekannt. Im vergangenen Jahr ist es französischen und niederländischen Ermittlern jedoch gelungen, die IT-Infrastruktur des Unternehmens zu knacken – die Chatverläufe wurden auch an das Bundeskriminalamt übermittelt. So habe sich auch zuordnen lassen, dass der mutmaßliche Drogenhändler aus Düsseldorf einen solchen Chat-Account hatte, sagt Heike Schultz. Innerhalb von elf Monaten soll der 29-Jährige darüber 300 Kilogramm Marihuana erworben und weiterverkauft haben. Auch der Verdacht der gewerbsmäßigen Geldwäsche, des gewerbsmäßigen Betruges sowie der gewerbsmäßigen Urkundenfälschung stehen im Raum. So soll die Gruppe mit Hilfe eines Computerprogramms täglich bis zu 2000 SIM-Karten für Handys freigeschaltet haben, um die Provision für die Aktivierung einzustreichen. Einnahmen von etwa 30 000 Euro wurden so jeden Monat generiert. Eine Betrugsmasche dieser Art, so Einsatzleiterin Heike Schultz, habe sie noch nicht erlebt. Einer der Beschuldigten wird zudem des Subventionsbetrugs verdächtigt – er soll unrechtmäßig 9000 Euro Corona-Soforthilfe kassiert haben.
Klar wurde während der Ermittlungen auch, wie tief die Verdächtigen in weitere kriminelle Strukturen verwickelt sind. Kaum eine Nachricht sei in dem Chat ausgetauscht worden, in der es nicht um kriminelle Machenschaften ging, sagt Heike Schultz. Einer der Hauptbeschuldigten ist Mitglied der Hells Angels, es gibt enge Verbandelungen mit Clans. „Würden wir noch tiefer bohren, würden wir auf dutzende weitere Beteiligte treffen.“ Irgendwann, so die Einsatzleiterin, müsse man aber auch vollstrecken.
Am Donnerstag haben Polizei und Staatsanwälte der Gruppe Zeos, die organisierte Kriminalität verfolgt, nach einem Jahr Ermittlungen zugeschlagen. 24 Objekte – Wohnungen und Firmensitze – in Düsseldorf, Neuss, Meerbusch, Hürth, Ratingen und Gelsenkirchen wurden durchsucht. Einer der Hauptbeschuldigten, ein 29-Jähriger, wurde festgenommen. Kistenweise Beweismaterial wurde sichergestellt: Rechner, Handys, Verpackungen für Drogen, scharfe Munition, Messer, Schlagringe sowie 266 000 Euro Bargeld. Dabei hofft Heike Schultz, auf mindestens ein Kryptohandy zu stoßen, mit dem die mutmaßlichen Drogenhändler kommuniziert haben. Vermögensarreste im Wert von knapp 1,5 Millionen Euro wurden erwirkt, so Staatsanwalt Julius Sterzel. So soll verhindert werden, dass das Geld aus den kriminellen Geschäften bis zu einem Prozess weggeschafft wird. Dazu wurden Hypotheken für ein Grundstück und zwei Eigentumswohnungen eingetragen und elf Konten gepfändet – und somit insgesamt 623 450 Euro sichergestellt. Der verdächtige 29-Jährige aus Düsseldorf sitzt in Untersuchungshaft. Er ist dringend verdächtig, mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben – bis 15 Jahre Freiheitsstrafe könnten deswegen auf ihn zukommen.