Ergebnis der Nachtzählung Mehr als 200 Obdachlose in Düsseldorf

Düsseldorf · Im vergangenen Oktober haben Stadt und soziale Träger wohnungslose Menschen gezählt und einige nach den Gründen für ihre Obdachlosigkeit befragt. Jetzt sollen Hilfsangebote angepasst werden.

In kleinen Zelten übernachten einige Wohnungslose in der Hofgartenunterführung.

Foto: RP/Geilhausen

In Düsseldorf leben mehr als 200 Menschen auf der Straße. Das ist das Ergebnis der sogenannten Nachtzählung aus dem vergangenen Oktober. Insgesamt seien bei der stadtweiten Zählung 459 Menschen mit Lebensmittelpunkt auf der Straße erfasst worden, heißt es von der Stadt; 239, die dort auch schlafen und damit als obdachlos gelten, zudem wurden 22 Personen ohne festen Wohnsitz von Kliniken und 198 in Notschlafstellen registriert. Um diese Zahlen zu erheben, waren 70 Zählteams in ganz Düsseldorf unterwegs. Koordiniert wurde die Nachtzählung von den „Franzfreunden“, dem Sozialwerk der Franziskaner, das auch die Streetwork-Koordination innehat.

Erstmals wurden zusätzlich mit Hilfe von leitfadengestützten Interviews auch qualitative Ergebnisse erhoben, etwa zu Gründen der Wohnungslosigkeit, zur Alltagsstruktur der Betroffenen und zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Die Befragung wurde von einem wissenschaftlichen Team um die Professoren Anne van Rießen und Reinhold Knopp von der Hochschule Düsseldorf begleitet und ausgewertet. Ziel sei es gewesen, „belastbarere und differenziertere Erkenntnisse über die Bedarfe zur Weiterentwicklung des Hilfesystems zu erhalten“, schreibt der Bereichsleiter der „Franzfreunde“ und Koordinator der Nachtzählung, Jürgen Plitt, in einem Vorwort zu dem mehr als 20 Seiten langen Abschlussbericht. Dabei sei es auch um einen Perspektivenwechsel gegangen.

„Die Ergebnisse der Studie sind aufschlussreich, um das Hilfesystem anzupassen und zu verbessern“, sagt Integrationsdezernentin Miriam Koch, die zudem lange das zuständige Amt für Migration und Integration geleitet hat. Auf Nachfrage nennt Koch als Dreh- und Angelpunkt der Hilfestellungen das Ziel, dass jeder Mensch in Düsseldorf eine eigene, bezahlbare Wohnung hat. Bis 2030 soll das analog zu Plänen der Ampel-Koalition und der EU gelingen. Dazu trügen etwa Projekte wie das Probewohnen bei, bei dem die Stadt zwei Jahre lang als Mieter auftritt, bevor die zuvor wohnungslose Person dies selbst übernimmt.

Auch das bestehende Hilfesystem soll verbessert werden. So berichtet Koch, dass es Überlegungen gebe, in kommunalen Unterkünften keine Gebührenbescheide mehr auszustellen, sondern Mietverträge. Dafür müssten einige der bestehenden Gebäude aber grundlegend saniert oder abgerissen und neugebaut werden. Welche das sein könnten, werde derzeit noch überlegt.

Die Mehrheit der gezählten Obdachlosen ist männlich

Als obdachlos sind dem Bericht zufolge jene Menschen zu rechnen, die sich während der Nachtzählung an öffentlichen Plätzen, auf den Straßen, in Parks oder unter Brücken sowie in Hauseingängen oder Bus- oder Bahnstationen aufgehalten haben und hier entweder bereits schliefen, sich hingelegt hatten oder sich auf eine Übernachtung vorbereiteten, wie es im Bericht heißt. Auch ungenutzte sogenannte Platten wurden gezählt, wenn diese in den vergangenen 24 Stunden augenscheinlich genutzt worden waren. Dabei wurden in der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 2021 zwischen 22.30 und 1 Uhr insgesamt 239 Menschen erfasst, die obdachlos sind. Die große Mehrheit, fast 80 Prozent, sind Männer, zudem wurden 31 obdachlose Frauen gezählt, bei 22 Personen ist das Geschlecht nicht bekannt.

Auch bei den Menschen, die für die Studie befragt wurden, war der Großteil (23) männlich. Die meisten von ihnen sind der Altersgruppe 41 bis 50 Jahre zuzurechnen. Zu den am häufigsten genannten Ursachen für die Wohnungslosigkeit zählen der Verlust der Arbeitsstelle oder der von persönlichen und familiären Beziehungen. Auch Räumungsklagen und – besonders bei Frauen – Gewalt in der Familie oder Beziehung wurden thematisiert. Ein Drittel der Befragten nannte zudem eine langjährige, oft seit Jugendtagen bestehende Abhängigkeit von Drogen als Grund für die Wohnungslosigkeit. Auch schwere physische oder psychische Erkrankungen seien immer wieder genannt worden.

Als Ergebnis dessen wollen Stadt und soziale Träger deshalb Gesundheitsthemen mehr in den Fokus rücken. Dies sei aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sagt Koch, etwa bei der Frage nach fehlenden Therapieplätzen. Zudem sollen Hilfeleistungen so gestaltet werden, dass es Betroffenen leichter fällt, diese anzunehmen. Eine Erkenntnis aus der Studie und aus der Pandemie sei bereits umgesetzt worden: Wenn die Betroffenen zur Ruhe kommen, sind sie auch für Hilfe und Beratung empfänglicher. In den Notschlafstellen werden die Menschen deshalb inzwischen nur noch in Ein- oder Zweibettzimmern untergebracht, sagt Koch. Angebote der Wohnungslosenhilfe müssten nicht nur für, sondern auch mit den Menschen selbst gestaltet und entwickelt werden. Das sei hier geschehen. „Das ist ein neuer verbindlicher Standard, der von den Nutzerinnen und Nutzern sehr begrüßt wird.“