Reise in die Ukraine Freunde, die für Frieden und Freiheit stehen
Czernowitz/Düsseldorf · Mit einer Delegation besucht Oberbürgermeister Stephan Keller aktuell die neue Partnerstadt Czernowitz in der Ukraine. Spuren und Zeugen der schon länger andauernden Freundschaft der Städte gibt es viele.
Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) und sein Amtskollege aus Czernowitz, Roman Klitschuk, haben am Donnerstag im Rathaus der ukrainischen Stadt eine Städtepartnerschaft offiziell gemacht, die eigentlich keine Urkunden braucht. „Sie wird schon seit vielen Jahren durch intensive Kontakte gelebt“, betonte Keller.
„Eine Partnerschaft, die in so schwierigen Zeiten zustande kommt, wird auch florieren, wenn die Zeiten wieder besser werden“, fügte er hinzu. Er freue sich auf eine langjährige Zusammenarbeit in Frieden und Freiheit – „am besten auch bald in der Europäischen Union“. Daher sei es entscheidend, dass die Ukraine als Sieger aus dem Krieg mit Russland hervorgehe: „Hier werden auch unsere europäischen Werte verteidigt.“ Keller kündigte an, mit der Stadt Düsseldorf auch weiter für den EU-Beitritt des Landes werben zu wollen – und die neue Partnerstadt weiter nach Kräften zu unterstützen. Auch auf wirtschaftlicher und kultureller Ebene soll es einen lebhaften Austausch geben.
Kellers Amtskollege Roman Klitschuk sprach von einem „historischen Moment“ für Czernowitz. „Wir wissen, dass man die besten Freunde in schweren Zeiten findet. In diesem Falle haben wir einen Freund in Oberbürgermeister Stephan Keller gefunden.“ Es sei angesichts des Krieges alles andere als selbstverständlich, dass die Delegation aus Düsseldorf nach Czernowitz gereist sei. Er wisse auch, dass in Deutschland viele Opfer gebracht würden. Die NRW-Landeshauptstadt, sagt er, sei ein idealer Partner, weil beide Städte über eine reiche Geschichte und ein großes Kulturerbe verfügten.
Czernowitz wird auch als
„Klein-Wien“ bezeichnet
Stephan Keller verwies auf den großen Rückhalt, den diese Partnerschaft auch in der Düsseldorfer Gesellschaft hat. Auch deshalb gehörten zu der Delegation nicht nur Mitarbeiter der Stadt, sondern einige jener Menschen, die teils seit Jahren eng mit Czernowitz verbunden sind und zu der wachsenden Beziehung vieles beigetragen haben. Sie dürften auch zu denen gehören, die sie künftig prägen. Mit dem Historiker Matthias Richter habe er einen „Düsseldorfer, der in Czernowitz zu Hause ist“ mitgebracht: Richter ist verantwortlich für das Projekt „Erinnerung lernen“, das sich für die Aufarbeitung des Holocaust in der Ukraine einsetzt. Er hat sich seit Langem für die Partnerschaft mit Czernowitz eingesetzt.
Katja Schlenker von der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus hat den Förderverein Städtepartnerschaft Czernowitz – Düsseldorf gegründet und ist bei der Reise unter anderem erstmals auf Mykola Kushnir, den Leiter des jüdischen Musuems der Stadt, getroffen. „Ich freue mich sehr darüber. Wir kennen uns schon lange, sind uns aber noch nie persönlich begegnet.“ Themen, über die man sich austauschen kann, gibt es reichlich. Oded Horowitz ist Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, in der viele Mitglieder ihre Wurzeln in Czernowitz haben und daher enge Verbindungen hierher pflegen. Übrigens auch er selbst: Seine Eltern stammen hierher, haben ihm schon früher von den besten Zeiten der Metropole vorgeschwärmt. Henric Peeters ist Chef der Caritas in Düsseldorf – und hat mit der Caritas in Czernowitz schon viele Hilfen für Geflüchtete auf den Weg bringen können.
Angereist ist die Delegation am Mittwoch – unter erschwerten Bedingungen, denn einen Flug über Kiew in die neue Partnerstadt, wie man ihn sonst vielleicht nehmen würde, gibt es in Kriegszeiten nicht. Stattdessen reisten die Düsseldorfer mit der Billig-Fluglinie WizzAir von Dortmund ins rumänische Suceava, fuhren von dort aus über die Grenze nach Czernowitz, vorbei an den kilometerlangen Lkw-Staus.
Die Stadt in der Südwestukraine, langjährige Hauptstadt der Region Bukowina (Buchenland), besitzt eine wechselvolle und reiche Geschichte, gehörte einst zu Österreich-Ungarn, später nach dem Ersten Weltkrieg zu Rumänien, nach dem Zweiten Weltkrieg zur Sowjetunion. Die gerne genutzte Bezeichnung als „Klein-Wien“ spiegelt sich in Atmosphäre und Gebäudestruktur, in der Stadt trifft Altes auf Elemente einer modernen Metropole. Beim Betreten einer kleinen Parkfläche strahlt Stephan Keller: Farbige Illuminationen setzen die hohen Bäume in Szene, stilvoll beleuchtete Bänke stehen überall, es ist leise Musik zu hören. „Wo machen wir so etwas denn einmal in Düsseldorf?“, fragt er lächelnd. Überhaupt geht das Leben hier auf geradezu gespenstische Weise seinen normalen Gang – Menschen sitzen in Cafés und Restaurants, junge Frauen spazieren mit Coffee-to-go-Bechern über das Kopfsteinpflaster des Stadtkerns; uralte Oberleitungs-Busse rollen über die Straßen. Doch gleichzeitig sind vor einige Glasfenster in Erdgeschossen schützend Säcke gestapelt worden; manchmal wird auch hier, Hunderte Kilometer entfernt von der Front, der Luftalarm ausgelöst.
Jeden Morgen gibt es
eine Schweigeminute
Morgens um 9 Uhr findet vor dem Denkmal für die gefallenen Soldaten des Konfliktes täglich eine Schweigeminute statt – aus den Geschäften und Büros rund um das Rathaus kommen dann die Menschen, die Autos stehen, Fahrer steigen aus und neigen die Köpfe, während aus Lautsprechern die Nationalhymne der Ukraine schallt. Auf dem Reiseplan stand am Donnerstag unter anderem noch der Besuch einer Flüchtlingsunterkunft, um zu sehen, wie die Spenden der Düsseldorfer hier genutzt werden. Die Stadt hatte zusammen mit der Caritas und verschiedenen Unternehmen tonnenweise Lebensmittel und andere Hilfsgüter geschickt, um bei der Versorgung der Menschen zu unterstützen. Auch das jüdische Museum und den jüdischen Friedhof wollte die Delegation besuchen.