Düsseldorf Düsseldorfer Köpfe: Da haben sie ihre Meinung geändert
Brauchtum, Klimawandel, Verkehr, Turbo-Abi oder Drogenfreigabe: Düsseldorfer Köpfe sagen, was sie früher mal ganz anders sahen.
Düsseldorf. Geradlinig und prinzipienfest sollen sie sein, unsere Macher in Politik und Wirtschaft. Aber keine sturen Betonköpf. Jeder Mensch ändert mal seine Meinung, die Frage ist nur, ob man das auch zugeben kann. Wir haben deshalb einige Düsseldorfer Köpfe nicht nach ihren guten Vorsätzen fürs neue Jahr gefragt, sondern, bei welchem Thema sie mal eine mentale Kehrtwende vollzogen haben.
OB Thomas Geisel nennt zunächst ein lokales Beispiel: „Früher fand ich ehrlich gesagt Karneval und Schützenwesen ziemlich altbacken und verstaubt. Jetzt verstehe ich, wie identitätsstiftend, wichtig und aktuell beides für die Stadt und die Menschen hier ist.“ Politisch ging Geisel lange von der „Endlichkeit der Ressourcen bei Öl, Gas und Kohle als größter Herausforderung aus“, heute weiß er: „Ja, das Zeitalter fossiler Brennstoffe geht zu Ende, aber vor allem deshalb, weil der Menschheit etwas besseres in der Energieerzeugung eingefallen ist.“
Arndt Hallmann, der Chef der Stadtsparkasse, sagt: „Ich gebe zu, dass ich früher das Thema Klimawandel unterschätzt habe, dass dessen Auswirkungen so gravierend sein würden, konnte ich mir nicht vorstellen. Mittlerweile stellen wir uns als Stadtsparkasse Düsseldorf intensiv dem Thema Nachhaltigkeit - von den Mitarbeitern bis zum Vorstand.“
FDP-Fraktionschefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann gibt zu, dass sie in der Verkehrspolitik lange Hardlinerin war. „Noch vor zehn Jahren war für mich nur das Auto das verkehrspolitische Maß aller Dinge. Heute setzte ich viel mehr auf den öffentlichen Nahverkehr und ohne Zweifel auch auf das Fahrrad als gutes innerstädtisches Fortbewegungsmittel.“ Das bedeute nicht, das Autofahren im wahrsten Sinne des Wortes auszubremsen. „Aber keine Frage: Die Zukunft in wachsenden Großstätten gehört Bahn und Bus sowie dem Fahrrad.“
Thomas Jarzombek, der Vorsitzende der Düsseldorfer CDU, nennt die direkte Bürgerbeteiligung: „Ich war früher ein Anhänger von Bürger- und Volksentscheiden. Da bin ich mittlerweile sehr skeptisch geworden, weil sich ganz offenkundig viel leichter Mehrheiten gegen etwas bilden lassen als für etwas. Heißt: Bedenkenträger setzen sich meist durch.“ Er habe das vor Jahren etwa beim Bau der Seniorenresidenz in Grafenberg am Waldrand erlebt: „Viel zu groß werde der, verschandele die Umgebung, hieß es. Nachher aber waren praktisch alle sehr angetan. Mit olympischen Spielen in Hamburg wäre es sicher genauso gewesen.
Angelika Kraft-Dlangamandla, Ratsfrau der Linken, hat eine Kehrtwende in der Drogenpolitik vollzogen: „Cannabis war früher für mich ein gefährliches Rauschgift, heute bin ich für eine lizensierte Freigabe“, sagt sie. Viele Gespräche mit Konsumenten und Menschen in der Drogenhilfe hätten sie überzeugt, dass es falsch ist, Cannabis nur zu verbieten, zumal die Konsumenten genau wüssten, wie sie illegal an den Stoff kommen. „Nur was auf der Straße von Dealern angeboten wird, ist ja meist mit allen möglichen schädlichen Zusatzstoffen gestreckt. Und die Dealer verdienen daran.“
Norbert Czerwinski, Fraktionssprecher der Grünen im Rat, fällt mit dem 1995 vollendeten Bau des Rheinufertunnels eines der größten Bauprojekte in Düsseldorf ein: „Als der Tunnel beschlossen wurde, war ich dagegen, mir schienen die Kosten dafür viel zu groß im Verhältnis zum Nutzen. Da hat mich die Realität klar eines besseren belehrt, die Menschen haben den Raum am Rhein fantastisch angenommen.“
Sigrid Wolf, DGB-Regionsgeschäftsführerin, war früher für das Turbo-Abi „G 8“, der Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre. „Da habe ich meine Auffassung grundlegend geändert. Der Umfang der Lerninhalte ist nun extrem verdichtet, und insbesondere im 5. bis 9. Schuljahr werden die Schüler einem extremen Leistungsdruck ausgesetzt. Sie haben kaum Freizeit für ein Leben neben der Schule. Immer jünger, immer schneller — das kann nicht das Motto unseres Bildungssystems sein“, sagt sie. Junge Menschen sollten sich als Persönlichkeiten entwickeln können. Wolf: „Der Wechsel von Realschulen an Gymnasien ist kaum noch möglich. Beim Übergang von Schule in Beruf oder Studium bestehen für Minderjährige vielfältige Hürden.“