Düsseldorf Ein Jahr OB Geisel — unsere Bilanz
Am Dienstag jährt sich der Amtsantritt von Thomas Geisel zum ersten Mal. Was ist ihm gelungen? Wo hapert es noch? Wir ziehen Bilanz.
Düsseldorf. Als Oberbürgermeister Thomas Geisel letztes Jahr im Dezember 100 Tage im Amt war und deshalb die Presse zum Frühstück ins Rathaus lud, eröffnete er die Runde leicht missmutig: „Eigentlich brauch’ ich gar nichts mehr zu sagen, es stand ja heute schon alles in der Zeitung.“ Und weil da längst nicht nur Lobeshymnen zu lesen waren, wollten Geisel und seine PR-Abteilung im Rathaus diesmal der Journaille zuvorkommen. Man lud schon zwei Tage vor dem Jahrestag zur Pressekonferenz, um in puncto Deutungshoheit den ersten Aufschlag zu haben. Aber natürlich bildet sich unsere Redaktion wieder ihr eigenes Urteil — entlang von Sachfragen und Geisels Auftreten.
Klar ist: Geisel hat frischen Wind ins Rathaus gebracht. Er hat sich in die vielen Themen gut eingearbeitet und er drückt jetzt aufs Tempo. Dabei nimmt er freilich die Politik nicht immer direkt mit, was ihm Schwierigkeiten eingebrockt hat (etwa bei der Benennung eines Erwin-Platzes).
Selbstdarstellung Geisel legt größten Wert darauf, bei den Leuten als dynamischer Macher und sympathischer Kümmerer rüberzukommen. Dazu trägt er mit einem immensen Aktionsradius selbst bei (am liebsten würde er wohl alle städtischen Außentermine wahrnehmen). Und er lässt das alles — vor allem von den beiden hochprofessionellen Sprechern Kerstin Jäckel-Engstfeld und Dieter Schneider — unters Volk bringen: mal subtil als Hintergrundinfo, mal per Geisel-Meldungs-Trommelfeuer. Was zur Inszenierung taugt, das wird (auch in sozialen Medien) verwurstet — von der Homestory in der Familienküche über den Besuch der Stehtribüne bei Fortuna, von Marathonläufen bis zu Bildern von einer — natürlich waghalsigen — Benefiz-Bergwanderung.
Außenwahrnehmung Im Großen und Ganzen „ziehen“ Geisels hoher Einsatz, sein Auf-die-Bürger-zugehen — und die clevere PR-Begleitung. Der Mann kommt gut an. Kritisch registriert wird freilich, dass Geisel gerade wegen seines überfüllten Terminkalenders ein notorischer Zu-Spät-Kommer und Zu-Früh-Geher ist. Und dass er in Gesprächen lieber die Dozenten- als die Zuhörerrolle einnimmt.
Der OB und die Schulen Der Ausbau- und Sanierungsstau an den Schulen, Thomas Geisel machte ihn zu einem seiner wichtigsten Wahlkampfthemen. Und vergaß das nach der Wahl nicht, installierte eine neue Schulbaufirma, kündigt neue Gymnasien und Gesamtschulen an, ein 60-Millionen-Euro-Kolleg in Benrath und mehr. Trotzdem stehen Geisel und die Ampel weiter im Sturm, müssen angesichts überfüllter Schulen den Unmut von Lehrern, Eltern und Schülern aushalten. Und beweisen, dass sich die geplanten Maßnahmen trotz des engen Finanzkorsetts umsetzen lassen. Auch wenn Geisel das anders wollte: Die Schuldenfreiheit, sie bleibt auf FDP-Wunsch gesetzt.
Der OB und die Stadtteile Lange hat sich Düsseldorf auf Großbauprojekte in der City wie Kö-Bogen und Wehrhahnlinie konzentriert. Geisel setzte einen inhaltlichen Kontrapunkt und tourte im Wahlkampf durch die 50 Stadtteile. Im Amt behält er das Thema im Blick. Er trifft die Landwirte im Norden, besucht Stadtteilfeste, Vereine. Er informiert sich bei Ehrenamtlern und hört sich die Sorgen örtlicher Werbegemeinschaften an. Und er führte die Reihe der Bürgerdialoge ein, kommt nach Wittlaer, Bilk, Eller und Benrath. So ist Geisel in den Stadtteilen sehr präsent: Er stellt sich den Bürgern und ihren Fragen und Sorgen. Hält keine von Dritten vorbereitete Reden, spricht aus dem Stegreif. Diese offene Haltung kommt gut an.
Dass er bei den nicht vorher abgesprochenen Fragen nicht immer konkrete Antworten hat — etwa bei Bauprojekten oder Verkehrsproblemen —, ist ein kleinerer Schönheitsfehler. In solchen Situationen notiert Geisel gern die offenen Fragen. „Das nehm’ ich mit“, sagt er dann. Nur: Damit die Dialoge mit Bürgern, Vereinsvertretern oder Händlergemeinschaften nachhaltig etwas bringen, wäre ein nächster Schritt wichtig. Offene Antworten werden — am besten — öffentlich nachgereicht. Dies könnte etwa in den Bezirksvertretungen passieren. Dort sitzen die zehn Bezirksverwaltungschefs, die Geisels Büro direkt unterstellt sind. Ein Bürgerdialog verpufft, wenn zu viele Dinge ungeklärt bleiben.
Der OB und die Kultur In einer seiner letzten Wahlkampfveranstaltungen im Zakk an der Fichtenstraße hat sich Geisel für mehr finanzielle Unterstützung der Freien Szene ausgesprochen. Als er, kaum war er im Amt, feststellen musste, dass die Stadtkasse nicht so prall gefüllt ist, wie erwartet, hielt er inne: Die Freie Szene müsse sich nun doch bescheiden. Der Aufschrei war groß. Geisel ruderte zurück, dennoch nehmen ihm Künstler sein Hin-und-Her bis heute nicht übel.
Gut gemeistert hat er die Verhandlungen zur Zukunft der Operngemeinschaft Düsseldorf/Duisburg. Deren Fortbestand stand angesichts von Personalkostensteigerungen in Frage. Zwar steuert Düsseldorf weiter den höchsten Zuschuss zur Aufrechterhaltung der Opern GmbH bei, jedoch setzte Geisel durch, dass auch Duisburg und die Oper ihren Beitrag leisten. Fazit: Die Partnerschaft läuft weiter. Mit mehr Eifer könnte Geisel allerdings die Erstellung des Kulturentwicklungsplans vorantreiben. Seit einem Jahr lässt der auf sich warten, dabei hängt von ihm maßgeblich ab, wo welche Unterstützung besonders dringlich ist.
Der OB und die Personalfragen Die meiste Kritik hat sich Geisel bisher mit Personalfragen eingehandelt. Das ging schon mit dem (teuren) Versorgungsposten für Ex-Bürgermeisterin Gudrun Hock bei einer Stadttochter los. Und setzte sich fort bei der Rheinbahn (Chef Dirk Biesenbach nimmt bald seinen Hut), bei der Sparkasse (der Streit um eine geplante Millionen-Abführung wird zu einer schlimmen Hängepartie) sowie bei der Marketingtochter DMT. Auch dort geht die Chefin, zudem warten die Beschäftigten immer noch darauf, Details zum Gutachten einer Unternehmensberatung zu erfahren.
Dass sich der CDU-Beigeordnete Gregor Bonin lieber nach Mönchengladbach verlegen will, weil er sich hier nicht wertgeschätzt fühlt, macht vor allem die Opposition sauer. Dabei ist klar, dass ein neuer OB eigene Leute installieren will — das hat die Union in ihren 15 Jahren nicht anders gemacht.