Fans feiern Mireille Mathieu in der Düsseldorfer Tonhalle
Deutschlands wahre Superstars: Die großen alten Schlager-Frauen, wie die 72-jährige Französin.
Düsseldorf. Knisternde Stimmung in der Tonhalle, ausgelöst von glitzernden Cellophanverpackungen dutzender Blumensträuße. Reihenweise weiße Altherren-Haarkränzchen, dazwischen flotte Männer-Paare in schriller Mode, ältere Frauen, die noch viel älteren Frauen in den Sitz helfen, aus dem es sie dann wenige Minuten später reißt: Stehende Ovationen für an einen Star, der vom ersten Augenblick so nahbar auf der Bühne erscheint: Mireille Mathieu. Freude am Wiedersehen, Vorfreude aufs Wiederhören. Eine große Family of Fans ist gekommen, viele Franzosen aus der Stadt sowieso.
Gerade erst hatte sie einen fulminanten Auftritt in der Hamburger Elbphilarmonie. „Ich bin sehr froh, mit Ihnen zu sein hier in Düsseldorf“, begrüßt die große kleine Frau, bei der Zierlichkeit und Zähigkeit kein Widerspruch sind, ihre Fans am Rhein mit einer Fröhlichkeit, die man sieht, hört und — wahrscheinlich noch wichtiger - spürt. Optisch unverändert mit schwarzen Pagenkopf, die glasklare Stimme ungebrochen, singt sie all ihre Lieder - auf Französisch, Deutsch, später in einem Medley auf Japanisch, Chinesisch, Russisch.
Die physische Leistung ist der 72-jährigen nicht anzumerken, hinter ihr verblassen Orchester und Background-Sänger nahezu. Während das Publikum träumt. Die Eine denkt vielleicht an verliebte Tage in Paris, der Andere an das späte Glück verträumter Tage in der Provence - den Duft von Lavendel. Immer wieder werden Blumen auf die Bühne gereicht, Tüten mit Teddybärchen.
Man muss kein Fan gewesen und es auch jetzt keiner sein, um anzuerkennen: Welch ein Unterschied zu heutigen Schlagerstars, die sich in akrobatischen Aktionen überschlagen (müssen?), um eine große Show abzuliefern. Mireille Matthieus Größe ist ihre Schlichtheit, die Sparsamkeit des Auftritts. Auch ihre Story, ihr Schicksal als Älteste in einer Arbeiterfamilie mit 14 Kindern. Die Karriere begann in einer Konservenfabrik, erreichte Weltbühnen - und, wie es, wie sie aussieht, heißt es noch lange nicht: Akropolis adieu.
Hinter den Kulissen von Paris erschien ihr Leben eher sauber als „noch einmal so süß“. Es war dieser Touch der Tugendhaftigkeit, die sie von ihrem Vorbild Edith Piaf, deren Abziehbild sie nie sein wollte, unterschied. Vielleicht auch dies eine Voraussetzung für Langlebigkeit auf der Bühne des Lebens. Mireille Matthieu kann, aber muss nicht das große Bekenntnis der Piaf abliefern: „No, je ne regrette rien“. Sie singt einfach „Ich denke an die Zeit, und keine Stunde tut mir leid“ und beteuert: „Es geht mir gut, merci, Cherie. Das macht die Liebe“. Die Liebe ihres Publikums und zu ihrem Publikum mit dem Mehrwert Treue. „Ich liebe Sie“ jauchzt sie am Ende eines zweieinhalbstündigen Abends.
„Wie die singt noch?“ Unberechtigte Frage. Mireille Mattheu ist beileibe keine Einzelerscheinung im boomenden Schlagergeschäft, das längst nicht mehr mit Goldenen Schallplatten, sondern in bestbesetzten Konzertsälen gemacht wird, auch und gerade mit unverwüstlichen starken Frauen (vergleichbare männliche Alt-Stars wollen einem da kaum einfallen). Nana Mouskouri (Jahrgang 1934) ist auf ihrer „Forever Young Tour“, Ireen Sheer (Jahrgang 1949), Lena Valaitis (1943) und Katja Ebstein (1945) sollen auch noch unterwegs sein, ebenso wie Marianne Rosenberg (1955). Gitte Haenning (1946) fordert regelmäßig im Savoy-Theater „Ich will alles“ und längst nicht mehr einen Cowboy als Mann. Morgen tritt Mary Roos (Jahrgang 1949) in der Mitsubishi Hall auf, am nächsten Wochenende kommt Vicky Leandros (1952) im Rahmen des Düsseldorfer Griechenland-Festival in die Mitsubishi Electric Hall. Und dann freuen wir uns auf die große Lady des Jazz aus den Niederlanden, die am 17. Mai zur Jazz-Rally in die Tonhalle auftritt: Greetje Kaufeld. Sie wird im nächsten Jahr 80.