Stadt-Teilchen Im Hofgarten setzt sich eine seltsame Art des Telefonierens durch — die etwas mit Frühstücksbrettchen zu tun hat
Düsseldorf. Ich habe mir jetzt ein Stück Holz gekauft und will mir daraus ein kleines Frühstücksbrettchen schnitzen. Das halte ich mir dann schräg vor den Mund und laufe so durch den Hofgarten.
Tut man dort so. Habe ich gesehen. Mehrfach. Natürlich rede ich mit meinem Frühstücksbrettchen. Nein, ich rede nicht wirklich mit meinem Frühstücksbrettchen, ich tue nur so, weil das alle im Hofgarten so machen. Besonders junge Frauen tun das. Sie halten ihr intelligentes Kommunikationsmittel nicht mehr ans Ohr, sie halten es schräg vor den Mund, wie ein Frühstücksbrettchen.
Will ich auch haben. Das war mein Gedanke, als ich zum ersten Mal bemerkte, dass es jetzt offensichtlich Mode ist, so durch den Hofgarten zu gehen und mit der Welt zu parlieren. Ich würde natürlich nicht wirklich mit meinem Frühstücksbrettchen reden. Täte ich das, wäre ich sicherlich ein Fall für die intensive Beratung durch einen Psychologen. Nein, ich rede nicht mit meinem Frühstücksbrettchen, ich tue nur so, als redete ich mit jemandem. Ich glaube, dass es die vielen jungen Damen, die da mit ihren elektronischen Frühstücksbrettchen durch den Hofgarten stolzieren, genau so machen. Sie tun nur so, als redeten sie mit jemandem.
In Wahrheit wollen sie einfach nur ihre Ruhe haben. Wer telefoniert, darf nicht gestört werden. Das ist eine alte Regel. Will man also nicht angesprochen werden, vertieft man sich in die Konversation mit einem Frühstücksbrettchen und täuscht Gesprächigkeit einfach nur vor.
Ich habe das schon mal ausprobiert und weiß, dass man reden kann, ohne an das zu denken, was man redet. Man redet und ist innerlich ganz woanders. Das geht, fragen Sie meine Frau. Die regt sich darüber immer kolossal auf. „Nie hörst du mir zu“, zetert sie, obwohl ich ihr auf jede ihrer Fragen antworte. Aber sie spürt natürlich, dass ich nicht bei der Sache bin. Ich rede einfach so vor mich hin.
Ich glaube, dass so etwas nur Rheinländer können. Haben nicht berühmte Komödianten diese Tugend ausreichend beschrieben? Einmal hieß es doch: „Das Reden hat für den Rheinländer einen Wert an sich. Unabhängig vom Inhalt.“ Wie wahr!
So etwas kommt mir in den Sinn, wenn ich die Frauen mit den Frühstücksbrettchen sehe. Mir liegen schon Pläne vor, auf denen ich skizziert habe, mit wem ich denn reden würde, wenn ich denn Anschluss bekäme, der aber natürlich mit einem Frühstücksbrettchen unmöglich ist. Ich würde natürlich mit einer feinen Dame aus der besseren Gesellschaft parlieren. Ich spräche sie dann mit Gnädigste an, oder ich würde am Anfang „Habe die Ehre“ sagen, so altmodische Sachen halt, die mich erheben über das Alltagsgeplauder der anderen.
Ich spräche natürlich vornehm leise, aber immer gerade so laut, dass jene, die gerne Blumenkohl im Ohr züchten, auf ihre Kosten kämen. In die intime Tuschelei würde ich dann natürlich Weiterbildungselemente integrieren. Man soll ja auch etwas lernen, wenn man mich abhört. Hier und da streute ich ein Gedicht ein, ein paar kluge Zeilen von Erich Kästner vielleicht. Ich wäre eine wandelnde Volkshochschule mit einem Frühstücksbrettchen schräg vor dem Mund.
Ich muss nur noch üben, wie man das lässig zelebriert. Man darf das Frühstücksbrettchen ja nicht zu starr halten. Die Frauen, die ich so sehe, verströmen stets eine gewisse Eleganz in ihrer Haltung. Sie tänzeln gelegentlich ein wenig und neigen hier und da zur Lässigkeit, aber nur selten gehen sie ihrer Eleganz verlustig.
Hach, das wird eine Freude. Wenn jetzt noch die Temperaturen weiter anziehen und die Menschen vermehrt in den Hofgarten locken. Dann werden dort sicherlich bald alle ganz neidisch auf mein schickes Frühstücksbrettchen schauen und mich fragen, wo man so etwas Extravagantes denn herbekommt. Dann werde ich ihnen selbstgesägte Frühstücksbrettchen verkaufen, aber vorher werde ich sie vor meinem Frühstücksbrettchen-Laden im Kö-Bogen eine ganze Nacht campieren lassen und natürlich die Presse anrufen, auf dass sie Bericht erstatten möge über all diese Menschen, die in Kälte ausharren, um ein von mir ausgesägtes Frühstücksbrettchen erwerben zu dürfen. Ich werde unfassbar reich werden.
Meinen Erfolg teile ich natürlich mit niemandem. Ich werde keinem sagen, wie viel Geld ich mit diesen Frühstücksbrettchen verdiene. Nur meinem Frühstücksbrettchen vertraue ich das an. Ganz lässig, ganz elegant. Sie finden mich im Hofgarten. Demnächst.