Düsseldorf Knochenbrüche, Bisswunden, Uringestank: Eltern sollen ihre zehn Kinder vernachlässigt haben
Ein Elternpaar aus Düsseldorf muss sich vor Gericht verantworten. Jahrelang sollen die beiden ihre zehn Kinder vernachlässigt und misshandelt haben. Der Großvater erhebt schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt.
Düsseldorf. Was sich jahrelang in der Wohnung am Perleberger Weg in Garath abgespielt hat, lässt sich nach der Anklage der Staatsanwaltschaft nur ahnen. Insgesamt zehn gemeinsame Kinder haben Leonard und Michaela S., 36 und 30 Jahre alt, das älteste ist 2006 geboren. Über Jahre lang sollen die Geschwister vernachlässigt und teilweise auch misshandelt worden sein. Als die Polizei das Haus durchsuchte, wurden die Kinder völlig verwahrlost und in einem heillosen Durcheinander angetroffen. Seit Mittwoch müssen sich die Eltern wegen Verletzung der Fürsorgeplicht und Körperverletzung vor dem Amtsgericht verantworten. Beide legten gleich am ersten Verhandlungstag ein umfangreiches Geständnis ab und räumten die Vorwürfe teilweise ein.
Man kann sich nur schwer ausmalen, warum es offenbar jahrelang nicht auffiel, dass es in der Familie Defizite gab. Als die Polizei das Haus im Januar vor drei Jahren durchsuchte, wurden die katastrophalen Zustände offensichtlich. „Ein Mädchen hat uns angelächelt, und man konnte nur noch schwarze Zahnstumpen erkennen“, berichtet eine Polizistin, die als Zeugin aussagte. Schon der Garten des Hauses sei eine Müllhalde gewesen. „Bereits am Hauseingang kam uns dieser beißende Uringestank entgegen. So sollte kein Kind leben,“ erklärte die Beamtin.
Doch dass die Geschwister im Dreck leben mussten, war nicht das einzige Problem. Wie aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hervor geht, sind die Kinder offenbar auch misshandelt worden. So wurden bei einem Mädchen alte Knochenbrüche festgestellt. Und ein Junge war durch „,menschliche Bisswunden“ verletzt worden. Woher die stammen, konnte nicht geklärt werden.
Ins Rollen waren die Ermittlungen gekommen, als Michaela S. im Oktober 2014 mit der erst wenige Monate alten Tochter in die Uni-Kliniken kam. Dort stellten die Ärzte Rippenbrüche und Hämatome im Gesicht die Kindes fest. Die stammten offenbar nicht, wie von der 30-Jährigen behauptet, von einem Sturz aus dem Kinderwagen. Inzwischen sind alle Geschwister vom Jugendamt in verschiedenen Einrichtungen und bei Pflegefamilien untergebracht. Das wurde vom Familiengericht so angeordnet. Alle sollen stark verhaltensauffällig und teilweise sehr aggressiv sein.
Ihre Eltern wurden am Mittwoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Vor allem, um die Privatsphäre der Kinder zu schützen. Leonard S., der in einem Totenkopf-Shirt zum Prozess erschien, ist bereits wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin versuchte er zu erklären, wie es zu der schwierigen Situation der Familie gekommen ist.
Währenddessen machte der Schwiegervater von Michaela S. dem Jugendamt schwere Vorwürfe. „Meine Tochter hat mehrfach um Hilfe gebeten, weil sie mit der Situation überfordert gewesen ist“, erklärte der 61-Jährige. Es sei aber nur ein einziges Mal eine Haushaltshilfe gekommen. Ansonsten sei die Familie mit ihren Problemen im Stich gelassen worden. Dass es zu Misshandlungen gekommen sein soll, schloss der Großvater aus: „Das kann ich mir bei den beiden nicht vorstellen.“
Mehrfach wurde die Verhandlung am MIttwoch unterbrochen, um die Öffentlichkeit auszuschließen. Unter anderem, als ein Gutachter berichtete, wie es den Kindern heute geht. Der Prozess wird am 21. März fortgesetzt. Dann wird es vermutlich auch ein Urteil geben.