Kriminaltechnik aus Düsseldorf Wie eine Erfindung der Polizei hilft
Düsseldorf · Maikel Stiefel und Andreas Nick von der Düsseldorfer Polizei haben eine Technik entwickelt, die erstmals Fußspuren digital und ganz ohne Berührung erfassen kann. Das Verfahren könnte die klassischen Gipsabdrücke ablösen.
Am Tatort liegt ein blutdurchtränktes Taschentuch, darauf der Abdruck eines Schuhs mit grobem Profil, wahrscheinlich hat der Täter ihn hinterlassen. Eben diesen Fall gab es bei der Düsseldorfer Polizei im vergangenen Jahr. Hier hilft kein Gipsabdruck, sagt Maikel Stiefel von der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle (KTU). Das Material hätte das Taschentuch zerstört, das Beweismittel wäre verloren. Den Ermittlern blieb für die Analyse nur ein Foto von dem blutigen Taschentuch. Ein Problem, das den Polizisten nicht losgelassen und für das er eine Lösung entwickelt hat.
Seit zehn Jahren ist Maikel Stiefel bei der Polizei, mittlerweile als Sachverständiger für Schuh- und Reifenspuren. Tatsächlich sind Gipsabdrücke bis heute die gängigste Methode der Polizei, um Spuren von Schuhen und Reifen zu sichern. Die Sachverständigen können so nicht nur Modell und Größe eines Schuhs bestimmen, sondern suchen auch nach kleinsten Fehlern und abgenutzten Stellen im Profil – so sind Abdrücke mitunter eindeutig den Schuhen einer verdächtigen Person zuzuordnen. Mit einer Taschenlampe und bloßem Auge suchen die Experten dazu Millimeter für Millimeter die Gipsabdrücke und Schuhe ab.
Gips richtet immer
minimale Zerstörungen an
Das Verfahren ist zwar altbewährt, es birgt aber auch einige Nachteile. Die Polizisten müssen bei Fortbildungen lernen, den Gips anzurühren, bis er die richtige Konsistenz erreicht, um ihn richtig anzuwenden. Regnet es am Tatort, sind Spuren schnell gefährdet zu verwischen – so schnell kommen selbst geübte Sachverständige mit dem Gips manchmal nicht hinterher. Das Material muss aushärten, was bei Hitze im Sommer mehrere Stunden, manchmal die ganze Nacht dauern kann. Für Opfer von Einbrüchen etwa bedeutet das, dass die Polizei zwei Mal anrücken muss. Vor allem aber richtet der Gips immer minimale Zerstörungen an, wenn er auf den Abdruck gegossen wird, sagt Maikel Stiefel.
Versuche, dieses Verfahren zu digitalisieren und somit auch Berührungen zu vermeiden, seien bislang gescheitert, sagt Stiefel. Bei allen Ansätzen brauchten die Ermittler einen Laptop und eine Stromversorgung. An Tatorten unter freiem Himmel, in Wäldern, auf Feldern und Wiesen, also gerade an Orten, an denen Fußspuren zumeist wichtig werden, kaum realisierbar.
Vor zweieinhalb Jahren kam Maikel Stiefel die Idee, die Spuren mittels eines alten Messverfahrens zu sichern: der Fotogrammetrie. Das heißt, aus zig Fotos entsteht ein genaues 3D-Modell. Zuhause hat er begonnen zu basteln, hat sich selbst eine Programmiersprache beigebracht und nächtelang dem Surren des 3D-Druckers gelauscht. Schließlich hatte er mit seinem Kollegen Andreas Nick einen funktionierenden Prototyp entwickelt, bestehend aus einer App, einem Lichtrahmen und einem 3D-Scanner.
Fotos werden zu einem
3D-Modell zusammengesetzt
Das System funktioniert so: Wollen die Ermittler einen Fußabdruck sichern, legen sie einen Lichtrahmen auf die Stelle. Der leuchtet die Spur selbst nachts gleichmäßig aus. Eine App auf dem Diensthandy führt die Ermittler dann durch die Spurensicherung. Das Programm, das wie die Fotokamera eines Smartphones aussieht, legt ein Netz über den Abdruck und teilt diesen in 100 kleine Rechtecke. Für jedes Kästchen müssen die Ermittler dann ein Foto schießen. „Das klingt zwar viel, dauert aber selbst bei ganz unerfahrenen Nutzern nur drei Minuten“, sagt Maikel Stiefel und demonstriert den Prozess. Er macht Foto für Foto und Kästchen für Kästchen verschwindet. Für die Ermittler vor Ort ist die Erfassung damit beendet.
Die Fotos werden automatisch an den Polizeiserver übertragen und zu einem 3D-Modell zusammengesetzt. Die Sachverständigen der KTU haben dann die Aufgabe, die Spuren auszuwerten und mit Schuhen von verdächtigen Personen zu vergleichen. Dazu werden die Sohlen mit einem 3D-Scanner erfasst. Der Vergleich passiert weiterhin mit bloßem Auge mithilfe einer digitalen Taschenlampe. Die Perspektive sei aber, Abdrücke und Schuhsohlen eines Tages mittels künstlicher Intelligenz zu vergleichen, sagt Stiefel. Das würde die Arbeit der Ermittler noch verfeinern.
Zunächst einmal gehe es aber darum, die Prototypen, die Stiefel und Nick entwickelt haben, serienreif zu machen. In einem Projekt des Landes NRW wurde das Verfahren bereits geprüft, etliche Sachverständige aus unterschiedlichen Behörden haben mitgemacht. Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste soll die Geräte nun so weiterentwickeln, dass sie in Produktion gehen können. Das dürfte die Polizeiarbeit in Zukunft an vielen Tatorten erleichtern.