Kunst Was es bedeutet, dass Ai Weiwei in Düsseldorf ausstellt

Der chinesische Kunst-Weltstar zeigt eine Doppel-Schau im K20 und im K21 – seine größte in Europa.

Zurückgelassene Kleidungsstücke von Flüchtlingen hat Ai Weiwei gesammelt, gereinigt und wie im Kaufhaus an Kleiderständer gehängt.

Foto: Achim Kukulies

Ai Weiwei zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Gegenwartskünstlern der Welt. Nun gastiert er in Düsseldorf. Unter dem Leitmotiv „Everything is art. Everything is politics“ („Alles ist Kunst, alles ist Politik“) präsentiert er in beiden Häusern der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen seine bislang größte Schau in Europa. Die Doppel-Ausstellung im K20 und im K21 ist in diesem Jahr das spektakulärste Ereignis in Düsseldorfs Kunstwelt, es zählt aber auch zu den Höhepunkten im globalen Kunstkalender. Denn der momentan in Berlin lebende Ai Weiwei ist ein politisch engagierter Künstler, der mit seinen Arbeiten provoziert und polarisiert – sowohl in seiner chinesischen Heimat, wenn er das dortige Regime kritisiert, als auch im Westen. Schon im Vorfeld blickten Künstler, Kuratoren, Kunsthistoriker und Vertreter nationaler wie internationaler Medien gespannt nach Düsseldorf, wo Ai Weiwei seine für ihn wichtigsten Werke zeigt. Bei der Pressekonferenz am Donnerstagmorgen war der Presserummel erwartungsgemäß groß und der Künstler genoss ihn auch sichtlich. Was aber bedeutet die Ai Weiwei-Ausstellung für Düsseldorf?

Gaensheimer hat Ai Weiwei schon zur Biennale in Venedig geholt

Verantwortlich dafür, dass Ai Weiwei in Düsseldorf ausstellt, ist Susanne Gaensheimer, die Chefin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Ursprünglich plante sie die Ausstellung mit dem 1957 in Beijing geborenen Kunst-Weltstar im MMK Museum für Moderne Kunst in Frankfurt, das Gaensheimer bis 2017 geleitet hatte. Die Museumschefin besuchte Ai Weiwei im Herbst 2016 im Berliner Atelier, in dem sie Teile seiner neuen Arbeit „Laundromat“ zu sehen bekam. Zurückgelassene Jacken, Hosen oder Schuhe von Frauen, Männern und Kindern aus dem Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-nordmazedonischen Grenze hat der Künstler gesammelt, gereinigt, sortiert und auf Kleiderstangen gehängt, wie in einem Modehaus. Da hat Gaensheimer dem Künstler angeboten, seine Arbeit in Frankfurt zu präsentieren. Ai Weiwei nahm die Einladung an. Nach Gaensheimers Wechsel in die NRW-Landeshauptstadt konzipierten sie die Ausstellung schließlich für die Kunstsammlung.

Die Museumschefin kennt Ai Weiwei schon länger. Zum ersten Mal stieß sie bei der Documenta 2007 auf ihn, dann bei seiner ersten großen Ausstellung im Münchner Haus der Kunst. „Er ist ein großartiger Bildhauer, der sehr gut mit Räumen arbeiten kann“, so Gaensheimer. Deswegen hat sie Ai Weiwei auch eingeladen, auf der Biennale von Venedig 2013 den deutschen Pavillon zu realisieren. „Mich interessiert aber auch, dass seine Kunst immer einen ethischen oder humanitären Anspruch hat – gerade auch dann, wenn die Grenzen zwischen Kunst und politischem Aktivismus nicht mehr klar sind.“ Denn als Kuratorin beschäftigt sie sich gerne mit Grenzüberschreitungen in den Künsten. So will Gaensheimer gemeinsam mit dem Kuratoren-Duo Doris Krystof und Falk Wolf veranschaulichen, wie bei Ai Weiwei Kunst und politisch-ethisches Engagement immer einhergehen. Dazu zu zeigen sie nicht nur Schlüsselwerke wie  „Straight“, worin sich Ai Weiwei mit der Erdbeben-Katastrophe im chinesischen Sichuan 2008 auseinandersetzt: Der Künstler hat verbogene Stahlträger aus den Trümmern der eingestürzten Schulgebäude genommen, mit dem Hammer wieder geradegeschlagen und zu einer Installation angeordnet. Auch frühe Gemälde aus den späten 1970er Jahren spielen eine Rolle, als er sich nach 20 Jahren im Exil mit seinem Vater der Künstlergruppe Stars Group in Beijing anschloss, die sich für die Freiheit der Kunst einsetzte. Ebenso konfrontieren die Ausstellungsmacher die Betrachter mit Werken aus Ai Weiweis New Yorker Zeit, in der er sich von den Kunstströmungen der westlichen Moderne beeinflussen ließ, etwa der Pop Art – davon zeugt sein „Coke Painting“.

Gaensheimer ist sich bewusst, dass Ai Weiwei vor allem in Deutschland kontrovers diskutiert wird. „Aber ich finde es eine wichtige Aufgabe der Kunst, dass sie dazu beiträgt, die Krisen unserer Zeit zu reflektieren und zu problematisieren. Ich hoffe, dass darüber debattiert wird. Das wäre für die Kunstsammlung und für Düsseldorf toll“, so die Museumsleiterin.  Nicht zuletzt gehört die Ai Weiwei-Schau aber auch zu Gaensheimers Programm, die Kunstsammlung NRW in ein globales Museum zu verwandeln. Vor allem die westliche Kunst der Moderne dominiert bislang die Sammlung. Gaensheimer will sie internationaler gestalten. Dementsprechend will sie auch Werke von Ai Weiwei erwerben, wohl auch welche aus der Ausstellung.

Die Schau zu Ai Weiwei in beiden Häusern der Kunstsammlung NRW eröffnet am Freitag um 19 Uhr im K 20. Der Künstler wird anwesend sein und über seine Arbeit sprechen.