Interview Neuer Messechef: „Wir investieren bis zu einer Milliarde Euro in unser Gelände“

Düsseldorf · Wolfram N. Diener wird am 1. Juli neuer Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe. Mit unserer Redaktion sprach er über die Entwicklung von „boot“ und „Caravan Salon“, neue Veranstaltungen in Düsseldorf und Südamerika sowie mögliche Ausschüttungen an die Stadt.

Wolfram N. Diener (links) im Gespräch mit WZ-Redaktionsleiter Christian Herrendorf.

Foto: Zanin, Melanie (MZ)

Meist gehen Manager für ein paar Jahre in ein anderes Land, bei Ihnen waren es ein paar Jahrzehnte. Warum sind Sie so lange in Asien geblieben?

Wolfram N. Diener: So etwas plant man nicht. Man hat einen Vertrag über drei oder fünf Jahre und dann geht man in der Regel zurück oder entwickelt sich weiter. Ursprünglich war das bei mir auch so gedacht, als ich Mitte der 90er-Jahre für die Messe Frankfurt nach Asien ging. Aber die Märkte dort sind so dynamisch, dass sich jedes Mal wieder eine interessante Aufgabe ergeben hat, ohne dass ich danach suchen musste.

Warum haben Sie sich entschieden, 2018 nach Düsseldorf zu kommen?

Diener: Wir hatten als Familie geplant, mittelfristig wieder in die Heimat zurückzugehen. Ich wollte gerne die Kenntnisse, die ich mir angeeignet hatte, nochmal in Europa oder Deutschland einbringen. Dann kam vor eineinhalb Jahren der Anruf von Werner Dornscheidt  [Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf, Anm. d. Red.], der mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, nach Düsseldorf zu kommen. Das kam völlig unerwartet – und so waren wir dann früher wieder in Deutschland als geplant.

Warum haben Sie das Angebot aus Düsseldorf angenommen?

Diener: Ich wäre nicht hierhergekommen, wenn ich nicht eine enorme Wertschätzung für Werner Dornscheidt und das Haus gehabt hätte. Ich kenne viele Kollegen hier im Unternehmen, denen ich während meiner beruflichen Laufbahn begegnet bin. Werner Dornscheidt hat in seiner Ära sehr viel erreicht, er hat ein sehr solides Fundament geschaffen, auf dem man aufbauen kann, im Inland wie im Ausland.

Was wollen Sie aufbauen und erreichen?

Diener: Wir können das Auslandsgeschäft erweitern. Es ist heute leider nicht mehr wie vor 15 oder 20 Jahren, dass es Boom-Regionen gibt und man einfach dort hingeht. Wir müssen abhängig von Markt und Branche definieren, was unsere Stärken und Kernkompetenzen sind, wo wir Weltleitmessen veranstalten. Und dann bewerten, in welchen Märkten es Sinn macht, innerhalb – oder auch mal außerhalb – unseres Portfolios, Fuß zu fassen. Wenn uns das gelingt, können wir mit positiven Auswirkungen auf die Muttergesellschaft in Düsseldorf rechnen. Es ist besser, ein Portfolio weltweit anzubieten und das Feld nicht anderen zu überlassen.

Welche konkreten Projekte sind mit diesem Ansatz verbunden?

Diener: Wir werden im Mai erstmals eine Medizinmesse in Brasilien anbieten. Das ist ein gutes Beispiel: Wir arbeiten dort mit den führenden Verbänden zusammen und haben eine Marktkonstellation erkannt, die es uns ermöglicht, unser Produktportfolio Medicine & Health in Südamerika zu erweitern.

Welche Pläne gibt es für neue Messen in Düsseldorf?

Diener: Wir starten im nächsten Jahr die Saw, eine Messe für Sägetechnik. Das klingt erstmal nicht so spektakulär. Aber die Weltmarktführer sitzen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, und wir reden nicht nur über Sägen, wie wir beide sie kennen, sondern über solche, die Rohre mit mehreren Metern Durchmesser zersägen. Wir ergänzen mit der Saw sehr gut unser Portfolio.

Wie entwickeln sich aus Ihrer Sicht die großen Publikumsmessen, etwa die boot oder der Caravan Salon? Inwieweit besteht die Gefahr, dass ihr aktueller Erfolg einen Höhepunkt bildet, den sie in kommenden Jahren nicht mehr erreichen?

Diener: Wir sind gut darin, die Kundenbedarfe und Trends einer Branche aufzugreifen und weiterzuentwickeln, indem wir zum Beispiel neue Segmente innerhalb einer Messe schaffen. Das tun wir nicht allein, sondern mit den Vertretern der Industrie und Branchen, die sich in Gremienarbeit mit der passgenauen Weiterentwicklung der Messen befassen.

Wie wirkt sich das praktisch aus?

Diener: Nehmen wir die boot – der Aufbau beginnt gerade, die ersten Boote kommen über Big Willi an Land und in die Halle. Bei der boot geht es nicht nur um Boote. Sondern um Wassersport in seiner ganzen Breite: Mit dieser Ausrichtung haben wir Synergien geschaffen und vieles, was am und im Wasser geschieht, integriert. Beim Caravan Salon geht es nicht nur um Wohnmobile, sondern um Mobilität. In diesem Jahr war zum Beispiel zu sehen, dass es immer mehr Fahrzeuge gibt, die multifunktional einsetzbar sind. Oder nehmen Sie die stärkere sportliche Komponente, indem man Elemente für Sportgeräte integriert hat.

Wie lässt sich dieser Ansatz auf die großen Fachmessen übertragen? Die Kunststoffmesse K etwa leidet darunter, dass ihr Rohstoff gerade sehr unpopulär ist.

Diener: Wir als Messemacher bieten der Industrie und ihren Fachverbänden Plattformen, um branchenbezogene Lösungen zu präsentieren und gesellschaftspolitisch relevante Fragen zu erörtern. Dabei schaffen wir, entsprechend unseres Geschäftszwecks, optimale Bedingungen, damit unsere Kunden Geschäft generieren können. Dazu gehört auch, mit Sonderformaten Themen auf die Messe zu bringen. Die Kunststoff- und Kautschukindustrie nimmt die Debatte um Kunststoffabfälle und Mikroplastik in der Umwelt sehr ernst und arbeitet intensiv an der Entwicklung von Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Die neue Messehalle 1 ist nun in Betrieb und das neue Vorzeigeobjekt. An anderen Stellen deutet mindestens die Farbe der Hallen daraufhin, dass sie aus anderen Jahrzehnten stammen. Was tut sich auf dem Gelände?

Diener: Zunächst einmal: Die Hallen sind alle sehr gut in Schuss. Aber natürlich kommen sie irgendwann an einen renovierungsbedürftigen Punkt – mit Blick auf das, was Kunden heute erwarten dürfen. Wir konzentrieren uns im Moment darauf, dass der neue Südeingang mit dem Vorplatz zur Halle 1 bis zum Frühjahr steht und richtig schön wird. Als nächstes gehen wir die Halle 9 an. Wir werden, vorbehaltlich der Zustimmung der Gremien, in den nächsten 12 bis 15 Jahren 700 Millionen bis eine Milliarde Euro in unser Gelände investieren.

Was nehmen Sie an, erwarten die großen Aussteller in 12 oder 15 Jahren?

Diener: Das ist eine schwierige Frage. Unser Ansatz ist, dass wir alle Voraussetzungen schaffen, damit sich Unternehmen hier gut präsentieren können. Wir werden unser Dienstleistungsangebot erweitern, damit die Unternehmen viele Kanäle von Marketing und Kommunikation nutzen können. Folglich müssen wir einerseits die digitale Infrastruktur ausbauen, dürfen aber andererseits nicht aus den Augen lassen, auf dem Gelände multifunktionale Räume zu schaffen, die die Unternehmen für ihre Präsentationen nutzen können – Stichwort: Eventisierung.

Ein Teil des Messeparkplatzes soll für große Festivals entwickelt werden. Wie sehen Sie diese Pläne?

Diener: Wir sind Teil einer Arbeitsgruppe, in der sehr konstruktiv diskutiert wird. Ich kann an der Stelle immer nur dafür werben, zu verstehen, dass es im Messegeschäft kaum Spielräume bei der Terminierung gibt: Order-Zyklen, saisonale Effekte, Termine auf anderen Kontinenten, da können wir nichts dran ändern. Ich bin mir sicher, dass das bei den Überlegungen für das Festivalgelände berücksichtigt wird.

Apropos Messe und Stadt: Wie sieht Ihr Lieblingsmodell für Ausschüttungen an die Kommune aus?

Diener: Es ist natürlich legitim, dass ein Eigentümer auch Ausschüttungen erwartet. Aber unser Geschäft ist zyklisch: manche Messen finden nur alle zwei, drei oder vier Jahre statt. Und wir brauchen einen gewissen Spielraum für Investitionen in die Entwicklung neuer Veranstaltungen und in das Gelände. Deshalb will ich mich gar nicht auf bestimmte Prozentsätze festlegen, sondern sage mit Blick auf unser partnerschaftliches Verhältnis: Die Höhe einer Ausschüttung ist dann in Ordnung, wenn sie den berechtigten Erwartungen der Gesellschafter als auch den zukunftsweisenden Investitionserfordernissen bei der Messe Düsseldorf gleichermaßen gerecht wird.