Kö-Anlieger fühlen sich gestört „Arme Menschen sind kein Sicherheitsproblem“ – Diskussion um Obdachlose auf der Kö
Update | Düsseldorf · Obdachlose, die ausgerechnet auf der noblen Königsallee nächtigen – daran stören sich offenbar die Anlieger. Die Interessengemeinschaft Kö fordert ein härteres Durchgreifen der Stadt. Die Wohnungslosenhilfe Fiftyfifty spricht von Vertreibung.
In Düsseldorf ist eine Debatte über Obdachlose in der Innenstadt entbrannt. Die Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft (IG) Kö berichtet von zunehmenden Beschwerden über Wohnungslose. Wo sich Luxusgeschäfte aneinanderreihen, nutzen Obdachlose die Eingänge nach Ladenschluss als Schlafplätze. Die Wohnungslosenhilfe Fiftyfifty übt nun wiederum scharfe Kritik an den Aussagen von Greuner.
Im Interview sagte Greuner auf die Frage, wie sauber die Kö sei: „Ich erhalte vermehrt Beschwerden über aggressives Betteln und das nächtliche Lagern von Personen auf der Königsallee, auch in Hauseingängen. Das wird inzwischen für die Fünf-Sterne-Hotels zum Problem. Deren Gäste fragen, ob Düsseldorf ein Sicherheitsproblem hat oder zu wenig Geld.“ Die Beanstandungen stammten häufig von Gästen aus dem Ausland, wo Obdachlosigkeit schlicht nicht öffentlich sichtbar sei.
Die Wohnungslosen sollten zwar nicht aus dem Stadtbild verschwinden, sagt Greuner. Niemand solle diskriminiert oder vertrieben werden. Für die Kö fordert sie aber ein härteres Durchgreifen. Es wäre „gut und wichtig, wenn die Stadt die eigene Straßenordnung umsetzt“, so Greuner. „Darin ist geregelt, dass das Nächtigen auf der Straße nicht gestattet ist, wenn es andere belästigt.“ Die Stadt solle darum die Menschen ansprechen und ihnen andere Übernachtungsangebote machen.
Das sei kein reines Königsallee-Thema, sondern betreffe die gesamte Stadt. „Grundsätzlich ist es schlimm, dass so viele Menschen auf der Straße wohnen müssen“, sagt Greuner. Es gebe zu wenige Hilfsangebote. „Da müssen wir ansetzen.“ Auf der Kö gebe es bereits Sicherheitsleute, die die Menschen ansprechen.
Die Wohnungslosenhilfe Fiftyfifty interpretiert die Aussagen anders und spricht von Vertreibung. „Dass ausgerechnet die Luxusmeile von Düsseldorf sich im Zusammenhang von Sauberkeit über die ärmsten der armen Menschen stört, ist schockierend“, heißt es in einer Stellungnahme. Solche Forderungen seien aber nicht ungewöhnlich. In der öffentlichen Debatte und auf der Straße nähmen die Sozialarbeiter zunehmend Ressentiments gegen Wohnungslose wahr. „Aussagen wie die von Frau Greuner verschärfen die Diskussion und werten wohnungslose Menschen als reines Sicherheits- oder gar Sauberkeitsproblem ab.“
Die Zahl der Menschen, die in Düsseldorf auf der Straße lebt und schläft, ist gestiegen. Bei der jüngsten Nachtzählung im Oktober 2023 waren es 729 Obdachlose, ein Drittel mehr als zwei Jahre zuvor. Auf der Kö aber sei kein größerer Treffpunkt von Wohnungslosen bekannt sei, so Streetworker Oliver Ongaro. Viele Geschäfte verrammeln ihre Hauseingänge, allzu viele Schlafplätze gebe es gar nicht.
Auch das Ordnungsamt registriere dort „nur in eher geringer Zahl“ nächtigende Personen. Aufgrund ihrer „herausgehobenen Bedeutung für die Stadt“ sei der Ordnungsdienst mehrmals am Tag auf der Königsallee unterwegs. Nächtigen und aggressives Betteln könnten als störendes Verhalten geahndet werden, heißt es. Dazu gehörten etwa das Verfolgen und Anfassen von Passanten oder der Einsatz von Hunden als Druckmittel. Auf der Kö aber handele es sich in den meisten Fällen nicht um eine verbotene Form des Bettelns, so die Stadt. Komme es zu Störungen, erteilten die Einsatzkräfte Platzverweise. „Selbstverständlich werden die Personen vorher stets auf die bestehenden – auch ad hoc verfügbaren – Hilfsangebote wie die Notschlafstellen hingewiesen.“
Stadt verweist auf ein
Hilfe-System für Wohnungslose
Auch dem städtischen Amt für Migration und Integration sei lediglich eine Person bekannt, die sich nachts an der Kö aufhalte und jede Form der Unterstützung durch Streetworker ablehne. Der Großteil der Wohnungslosen halte sich dort eher tagsüber auf, um Straßenzeitungen zu verkaufen oder Spenden zu sammeln.
Die Stadt verweist zudem auf ein ganzes System, das Menschen auf der Straße helfe – Streetwork, Fachhilfen, kommunale Unterbringungsangebote und städtische Notunterkünfte gehörten dazu. „Niemand muss in Düsseldorf auf der Straße schlafen“, heißt es von der Stadt. In den Notschlafstellen gebe es spezielle Angebote für Frauen, Mütter mit Kindern, für Paare oder Alleinstehende, begleitet von Sozialarbeit.
Dass dennoch so viele Menschen die Angebote nicht annehmen, habe unterschiedliche Gründe, sagt Streetworker Ongaro. Bei manchen Wohnungslosen ohne deutschen Pass seien es die Angst vor Abschiebung und Sprachbarrieren, bei Drogenabhängigen die Sucht. Zudem gebe es eine wachsende Zahl an Obdachlosen mit psychischen Problemen, die es in Gemeinschaftsunterkünften nicht aushielten.
Allein ist die IG Kö allerdings nicht mit ihrer Wahrnehmung. Auch Thomas Görner vom City-Ring Schadowstraße sieht darin ein Problem. Vor allem eine größere Gruppe von bis zu zehn Menschen vor C&A sei dort schon länger präsent, sie wirke wie eine Großfamilie. „Das Bild ist nicht besonders förderlich für das Image der Straße, die doch ein Aushängeschild der Stadt ist.“ Man habe die Stadt vor einigen Wochen auch auf die Situation hingewiesen, Mitarbeiter der Ordnungsamtes seien auch vor Ort gewesen. „Ich habe den Eindruck, dass es etwas weniger Personen geworden sind.“ Einfach nur Verdrängen sei natürlich auch keine Lösung, „aber irgendeine muss gefunden werden“.
Auch der Stadt ist diese Gruppe bekannt. Die Personen hielten sich überwiegend auf der Schadowstraße auf, um dort nachts zu schlafen und tagsüber Geld zu generieren. Das Betteln sei aber nicht aggressiv, heißt es. Schlafplätze würden täglich aufgebaut und weggeräumt. Angebote der Streetwork habe die Gruppe bislang nicht angenommen.
„Wir sollten alle etwas dafür tun, dass die Ursachen von Wohnungslosigkeit beseitigt werden statt uns über die Symptome zu beschweren“, sagt Michael Busch. Der Thalia-Gesellschafter engagiert sich für die Initiative „Housing First“, die Wohnungen für Obdachlose stellt.
Mehr als 50 Menschen hat der Verein in Düsseldorf so in den vergangenen Jahren von der Straße geholt. Der Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) unterstütze die Initiative tatkräftig. Das könnten auch andere Kö-Anlieger tun, findet Busch. Auf der Straße gebe es schließlich genug finanzstarke Unternehmen, die sich für Projekte gegen Obdachlosigkeit einsetzen könnten.