So wird im Amateurfußball gedopt
Auch in unteren Ligen greifen viele Sportler zu verbotenen Mitteln. Insider erzählen, wie das abläuft.
Düsseldorf. Es gab diese Abende, da ging nichts mehr. Fast apathisch saß Michael J. auf dem heimischen Sofa. Ohne Antrieb. Ohne Kraft. „Wenn du die Grenze nachmittags künstlich überschritten hattest, kam es abends doppelt zurück“, erinnert sich der 36-Jährige, der zu denen gehörte, die die Grenze regelmäßig überschritten haben. Sonntag für Sonntag.
J. ist Fußballer. Er behält seinen echten Namen für sich, selbst die seiner Vereine. Was er verrät: Er war im Fußballverband Niederrhein aktiv, von der Kreis- bis zur Verbandsliga. Deswegen kann er mitreden, wenn dieser Tage über Doping diskutiert wird. Denn nicht nur Profis helfen nach — so wie es Manfred Ommer, früherer Präsident des damaligen Bundesligisten FC Homburg, erst vor kurzem im ZDF gesagt hatte: „Natürlich wird auch im Fußball gedopt.“
Wie es im hiesigen Amateurbereich aussieht, weiß J. allzu gut: Jahrelang bestritt er kein Spiel ohne ephedrinhaltiges Nasenspray, keins ohne Voltaren-Tabletten mit Diclofenac. Dabei war er kerngesund. Aber er wollte die Leistungsgrenze verschieben, mehr Luft haben, mehr Kraft. „Normalerweise sagt der Körper irgendwann: ,Jetzt ist Schluss.’ Aber wenn du Voltaren nimmst, spürst du keinen Schmerz. Du kannst 90 Minuten laufen“, sagt der Fußballer, der kein Einzelfall ist. Das halbe Team habe das gemacht — vor den Augen von Vorstand und Trainern.
Diese hätten das teilweise gefördert. Auch in unteren Spielklassen braucht es Erfolge, um Zuschauer und Sponsoren zu gewinnen. J. berichtet von einem Verein, der sich einen Ex-Profi als Trainer gönnte. Der habe die Tabletten selbst verteilt und zögernde Spieler mit Sätzen überredet wie: „Da passiert nichts. Wir haben die früher gefressen wie Gummibärchen.“ Die meisten Spieler willigten ein, schließlich sind die Verträge leistungsbezogen. Wer aufgestellt wird, bekommt schnell hundert Euro mehr als ein Ersatzspieler.
Torsten Kleefeld kennt das. Es sei kein flächendeckendes Phänomen, „aber auch vor einem Marathon schmeißen viele Tabletten ein, um die Schmerzgrenze neu festzulegen“, sagt der Düsseldorfer Sportmediziner und warnt vor ungezügeltem Umgang. „Wer regelmäßig Diclofenac zu sich nimmt, riskiert Magenentzündungen oder Herzrhythmusstörungen“, sagt Kleefeld, der Teams im Hockey, Handball und Tennis betreut. Auch Amateurfußballer J. weiß, „dass das nicht gesund ist“. Aber man wolle eben mithalten. Mehrmals ließ er sich wegen Verletzungen „beim Arzt meines Vertrauens“ Kälberblut spritzen, „und schon ist man früher fit“.
Das kennt auch Stefan M. (Name geändert). Er galt mal als eines der größten Eishockey-Talente der Region, spielte in der Jugend-Nationalmannschaft. „Schmerzmittel und fitspritzen waren gang und gäbe“, sagt er, der zwar von niemandem weiß, dass er „richtig gedopt“ habe, „aber nach einer Sommerpause sah ein Mitspieler plötzlich aus wie Arnold Schwarzenegger. Da wurde gemunkelt, ob er Anabolika genommen hat.“ Laut gefragt wurde nicht.
Wegschauen und Verharmlosen haben System. Das hat auch Mischa Kläber erfahren. Kläber ist Sportsoziologe und hat seine Doktorarbeit über Doping geschrieben. Im Interview mit dem Portal fussballdoping.de berichtet er von Kreisliga-Spielern, die neben Ephedrin auch Speed und Kokain nehmen. Gesehen hat Fußballer J. so etwas nie. „Aber es gab Spieler, die das zum Feiern genommen haben. Da sinkt die Hemmschwelle, das auch vor dem Spiel zu tun.“ Manchmal sei es schon überraschend gewesen, wie aufgedreht einige auf dem Platz waren. Gefragt hat er nie.