Stadt-Teilchen Düsseldorf braucht ein Lied

Düsseldorf · 50 Jahre ist es her, dass Dorthe ihren Hit auf die Stadt sang. Zeit für etwas Neues, findet der Autor unserer Kolumne "Stadt-Teilchen". Jedoch: Allein durch das Wort "Düsseldorf" wird das schwer.

Auf der Rückseite dieser Postkarte befindet es sich — das Autogramm von Dorthe. Das Motiv der Karte zeigt die Lambertuskirche im Hintergrund der alten Rheinuferstraße. Da wo heute die Promenade verläuft.

Kürzlich las ich davon, dass es schon 50 Jahre her ist, dass Dorthe einem hiesigen Playboy eine klare Empfehlung gab. „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“ hieß der Hit, der 1968 ins Ohr ging wie Butter, dort sanft zerschmolz und dann nie wieder verschwand. Noch heute begegnet mir das Lied, wenn ich im Urlaub Ärger verursache und mir die gesammelte Familie mit besagter Liedzeile die Meinung geigt. Da hilft dann nur klein beigeben. Sonst werde ich nach Hause geschickt.

(Hans Hoff wünscht sich ein neues Lied für Düsseldorf.)

Ich bin angesichts des Jubiläums mal in den Keller gestiegen und habe in meinen Fotokisten gekramt, und siehe da: Ich wurde fündig. Ich habe mein Dorthe-Autogramm gefunden. Ein echtes. Dorthe — mit großzügigen Bögen von D, t und h auf die Rückseite einer Postkarte geschrieben. Auf der anderen Seite ist die alte Rheinuferstraße in abendlicher Regenstimmung zu sehen. Vorne eine Ampel, hinten Lambertus, dazwischen sehr alte Autos. Ja, Straßen mit Autos waren mal Motiv für Postkarten. Heute kaum noch vorstellbar. Auf der Rückseite steht „Echt Düsseldorfer Alt wird nur in Düsseldorf gebraut.“ Welche Marke hier Werbung für sich betrieb, weiß ich nicht mehr. War mir auch nicht wichtig. Wichtig war das Dorthe-Autogramm unter der Werbung.

Das habe ich ergattert auf einer der zahlreichen Veranstaltungen, die damals Auto-Becker an der Suitbertusstraße ausrichtete. Da konnte man öfter mal Sensationelles erleben. Zum Beispiel Arnim Dahl, den Urvater aller deutschen Stuntmen. Der hatte schon einen Handstand auf dem Empire State Building überlebt, und in Bilk kletterte er nun den Schornstein, der das Auto-Becker-Gelände lange überragte, hinauf. Dann spielten noch die Lords, und irgendwann sang auch Dorthe und gab mir ein Autogramm. Ich tippe mal, dass das in den frühen Siebziger Jahren war, als ich noch nicht so recht wohin wusste mit meinem Musikgeschmack und meinen pubertären Hormonen. Da fand ich dann auch Dorthe aufregend.

Der Kellerfund und das Dorthe-Jubiläum brachten mich allerdings rasch ins Sinnieren über die Frage, warum Düsseldorf so selten in Liedern auftaucht, vor allem aber, warum es so selten wirklich Klang hat. Beim Schlager „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben“ fügt sich das alles noch mit perfektem Timing in einen ansprechenden Rhythmus, ergeben Text und Melodie einen Bogen, dem man gerne folgt.

Ein anderes Beispiel, bei dem man gerne und rasch mitsingen möchte, ist das volkstümliche Altbierlied, das zehn Jahre nach Dorthes Hit in einem Hinterhofstudio an der Ellerstraße aufgenommen wurde. Auch da fügt sich der Stadtname perfekt in den Rhythmus, stimmt das Timing, schmiegen sich die Silben in der richtigen Betonung an die Stimmbänder.

Aber dann? Darüber hinaus? Da wird es eng. Vor allem weil sich das dreisilbige Düsseldorf ohne Dehnung nur schwer in die üblichen Viervierteltaktabläufe fügen mag. Vielleicht müsste mal ein Düsseldorf-Walzer her, um der Stadt einen angemessenen Platz im Liedgut zu sichern.

Das klänge dann sicherlich anders als bei Marius Müller-Westernhagens Song „Mit 18“. Da hetzt er derart durch die Zeile „Mit 18 rannte ich in Düsseldorf rum“, dass er die drei Silben von „Düsseldorf“ mehr verliert als singt.

Auch bei Randy Newmans „In Germany before the war“ wird es nicht viel besser. Da erzählt Newman angeblich vom Serienmörder Peter Kürten und lässt „Düsseldorf“ am Ende der Zeile förmlich verhungern. Auch Chris Rea nuschelt in „Windy Town“ den Namen dieser stolzen Stadt irgendwie weg und entzieht ihr, wie das die Briten so gerne tun, auch noch den Umlaut. „The taste of Dusseldorf still on our lips“, brummelt er.

Es gibt noch etliche Lieder mehr, in denen Düsseldorf vorkommt. Die Listen sind lang, aber phonetisch zur Ehre gereichen der Stadt nur wenige Erwähnungen. Schon gar nicht Herbert Grönemeyers „Bochum“, wo er in der Frage „Wer wohnt schon in Düsseldorf?“ das „doooooaaarf“ am Schluss regelrecht überführt in ein Jaulen, das klingt, als habe man einem Hund auf den Schwanz getreten. Hat Düsseldorf das verdient?

Ich finde natürlich, dass Düsseldorf das nicht verdient hat. Aber möglicherweise ist das ein bisschen auch den Eigenheiten der deutschen Sprache geschuldet. Die ist halt schwerer zu formen. Was bei Benutzung des ortüblichen Platts noch angehen mag, klemmt zu oft bei der Übersetzung in Hochsprache.

Woanders ist da vieles einfacher. Als ich kürzlich mal in Los Angeles war, begegneten mir etliche Hits schon auf den Straßenschildern. Als ich dort Ventura Highway, Santa Monica Boulevard oder Pacific Coast Highway las, hatte ich sofort die passenden Songs von America, Sheryl Crow oder den Mamas & The Papas im Ohr.

In Düsseldorf schwer vorstellbar. Welthits, in denen die Suitbertusstraße vorkommt oder die Luegallee liegen außerhalb des mir Vorstellbaren. Der Künstler, der solche Wortungetüme in Liedform presst und damit zum Mitsummen animiert, muss noch geboren werden.

Ein bisschen hat das mal geklappt, als man aus dem Sechziger-Jahre-Hit „Waterloo Road“ ein Hoch auf die Königsallee formte. Bei „Oh, Königsallee“ passte einiges, aber zur richtigen Hymne für die Stadt hat es nie gereicht.

Düsseldorf wird also wohl noch eine sehr lange Weile ohne Welthit mit dem Namen drin bleiben und noch öfter auf Dorthes Lied von 1968 zurückgreifen müssen, dessen Inhalt dem gemeinen Düsseldorfer ja nun nicht zwangsläufig zur Ehre gereicht, obwohl ich mich mit der Diagnose, dass ich als Playboy vom Rhein Probleme habe mit dem Cowboysein, durchaus abfinden könnte. Ich bin noch nie gern geritten. Aber ich würde gerne mal was Schönes über meine Heimatstadt singen. Aus voller Kehle. Mit Inbrunst. Und bitte nichts von den Toten Hosen.

So bitter dieser Mangel an Identifikationsmusik auch ist, wir haben ihn nicht ganz exklusiv. Griffige Lieder über Duisburg, Krefeld oder Dortmund wollen mir gerade partout nicht einfallen. Und auch die ach so liedgewaltigen Nachbarn aus der Domstadt kriegen erst dann die richtige Stimmung hin, wenn sie den Namen ihrer Stadt mit Mundart und geographischer Ergänzung zum Flutschen bringen. Meist heißt es dann Kölle am Rhing. Das Wörtchen Köln selbst taugt in seiner Einsilbigkeit nur selten, um wirklich Schwung in die Sache zu bringen. In der Hinsicht haben also Düsseldorf und Köln durchaus etwas gemein. Kleiner Trost nur, aber immerhin.