Tausendfüßler: Der Abriss lockt viele Schaulustige

Zahlreiche Düsseldorfer, aber auch einige Touristen, nutzen die Gelegenheit und machen letzte Fotos von der Hochstraße.

Düsseldorf. Manfred Bender ist bestens ausgerüstet und hat einen guten Platz erwischt: Der Rentner aus Hilden stellt sein Stativ auf die erhöhte Beinscheibe, packt seine Fotokamera aus und drückt mehrfach auf den Auslöser.

Er fotografiert die letzten Teile des Tausendfüßlers, ein Stück Zeitgeschichte für das persönliche Familienalbum. „Von dem Abriss habe ich auch schon ein Video aufgenommen“, sagt Bender.

An diesem Samstag ist er mit seiner Ehefrau Marlies und seinen Freunden Gerlinde und Hans-Herbert Manns nur deshalb in die Landeshauptstadt gekommen, um noch einige Aufnahmen zu machen. Marlies Bender und Gerlinde Manns haben damals den Bau der seit jeher umstrittenen Hochstraße miterlebt.

„Wir haben an der Berliner Allee 11a in einem Verlag gearbeitet“, erzählt Bender und zeigt auf das Gebäude, in dem sich heute P&C befindet. Ihre Stimme klingt etwas wehmütig. Sie kann die Entscheidung nicht nachvollziehen, „ein so markantes und attraktives Baudenkmal“ einfach niederzureißen. Es habe zu Düsseldorfs Gesicht gehört, ergänzt Gerlinde Manns.

Zur Mittagszeit stehen die Baufahrzeuge still. Hier und da tauchen vereinzelt Arbeiter in Schutzkleidung auf, tragen Eimer von A nach B, einer klopft Pflastersteine in den Boden. Und immer wieder bleiben Passanten an den Bauzäunen stehen. Sie schauen sich die riesigen, aufgetürmten Berge von Steinen, Bauschutt und Erde an, aus denen Stahlträger ragen. Von den Ausläufern in Richtung Berliner Allee und Immermannstraße sind nur noch die Abbruchstellen vorhanden.

Durch die Feuchtigkeit und kalten Temperaturen der vergangenen Tage hat sich ein dicker Eiszapfen gebildet. Er hängt an einer Kante wie an einem seidenen Faden. Sven Burmeister will an derselben Baumscheibe wie die Benders ein Foto von seiner Tochter Lia-Maline vor den Trümmern machen. Für sie, als Erinnerung, schließlich sei sie in Düsseldorf geboren. Er selbst sei erst vor sechs Jahren in die Stadt gezogen und habe zu der Straße keinen rechten Bezug gehabt.

Anders ist es bei Ursula und Volker Winkler. Sie sind „mit Leib und Seele Düsseldorfer“. Das Paar findet es schade, dass ein „Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs“ abgerissen wird. Aber sie sagen auch: „Man muss abwarten, bis alles fertig ist“, so Ursula Winkler.

Antje Narres wiederum hat vor allem aus einem sehr praktischen Grund eine positive Erinnerung an den Tausendfüßler: „Ich habe oft meinen Motorroller darunter geparkt.“

Dieter Sawalies fällt für den Abriss der Hochstraße nur ein Wort ein: Katastrophe. Seit 1978 lebt er in Düsseldorf und der Tausendfüßler war das Erste, was er damals bei seiner Ankunft aus Gießen sah. „Ich dachte: ,Wow, du bist in einer Weltmetropole angekommen‘.“ Mit seinem Freund Ian Muiruri schlendert der Psychotherapeut über den Martin-Luther-Platz und fotografiert ebenfalls.

„So muss es nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesehen haben — ein einziges Trümmerfeld.“ Es wird bald Geschichte sein: Ab dem 6. April ist das Stück der Hochstraße über der Fußgängerzone an der Reihe.