cas Hirntumore Operation an der offenen Tomate – Obst und Gemüse als Patienten

Düsseldorf · Bevor ein Neurochirurg zum ersten Mal am menschlichen Gehirn operieren darf, übt er an Früchten.

Bevor sie Operationen an menschlichen Gehirnen durchführen, üben Studenten der Neurochirurgie an der Uniklinik die Eingriffe erst einmal an Obst und Gemüse.

Foto: Carolin Scholz

Die Patienten sind bereit für die Operation. Nebeneinander liegen sie auf den vorbereiteten Tischen, sind eingespannt in Geräte, die sie in Position halten. Gleich geht es an die Operation am Gehirn. Wo sonst auch was schief gehen kann, muss sich heute niemand Sorgen machen. Die Operateure sind auch nicht steril, es gab keine Narkose. Denn die Patienten sind heute eine Wassermelone, eine Kokosnuss und eine Tomate.

Was erst einmal komisch klingt, ist für die Neurochirurgen der Uniklinik nicht ungewöhnlich. Denn natürlich operiert niemand sofort am offenen Hirn. Um verschiedene Techniken zu üben, gibt es Wege, dies ganz gefahrlos und ohne bleibende Schäden zu erledigen. Obwohl, ganz gesund sieht das Obst und Gemüse nachher nicht mehr unbedingt aus.

Tumor wird simuliert – Melone kommt ins CT zum Röntgen

Der Melone und der Tomate wurde vorher etwas eingespritzt, was einen Tumor simulieren soll. Dann kam die Melone ins CT zum Röntgen. So wie das beim echten Patienten auch der Fall wäre. „Die Melone ist schwerkrank“, witzelt Professor Michael Sabel, der Leiter der Neuroonkologie am Düsseldorfer Uniklinikum.

Doch denkt man an den Ablauf einer echten Hirn-OP, würde das Ganze wohl an der Kokosnuss beginnen. Die Schale der Kokosnuss ähnelt – zumindest ein bisschen – der Schädeldecke. Hier kann man sich mit dem großen Bohrer versuchen. Denn bevor man mit den Geräten direkt ans Gehirn herankommt, muss der Schädel geöffnet werden. Eine Studentin von Professor Sabel macht es vor. „Der Bohrer hat eine Fliehkraftkupplung. Das heißt, wenn der Widerstand nachlässt, stoppt er von selbst“, sagt der. Trotzdem müsse man vorsichtig sein. Vor allem bei der Kokosnuss, denn die ist ja doch etwas anders, als das menschliche Hirn. Einmal nicht aufgepasst, schon hat die Studentin die Hirnhaut der Frucht verletzt – na sowas.

„Wenn Studenten die Kokosnuss gut aufbekommen, ist ein menschlicher Schädel kein Problem mehr“, sagt der Professor. Als nächstes geht es zur schwerkranken Melone. Mit einem spitzen Gerät, das der Arzt als Navigationsgerät bezeichnet, wird der Tumor erst noch von außen gesucht.  Das geht durch das vorher gemachte Bild im CT und kleinen Kügelchen, die außen auf der Schale der Frucht angebracht sind. Die geben dem Gerät Orientierung und sorgen für eine Art 3D-Ansicht. Auf mehreren Bildschirmen ist der viel hellere Teil im Gewebe gut erkennbar. Dort kann man auch erst einmal anzeigen lassen, wie der Weg des Geräts verlaufen würde, würde man in diesem Winkel und in dieser Tiefe einstechen. Oft, so sagt Professor Sabel, muss man bei solchen Operationen tief ins Gehirn eindringen – denn die Tumore verstecken sich oft in der Tiefe. Wie am Boden eines Altbierglases.

In der Realität geht es dabei besonders um die Entnahme von Proben. Vermutet man einen Tumor an einer bestimmten Stelle im Gehirn, müsse man erst einmal eine Biopsie machen, um sicherzustellen, womit man es zu tun hat. Dafür verwenden die Ärzte eine Technik, die vor vielen Jahren an der Uniklinik erfunden wurde. Die Patienten nehmen vor der OP ein Medikament ein, das sich im Tumor anlagert und das unter einer bestimmten Wellenlänge Licht hell aufleuchtet – so ist es für die Ärzte leichter erkennbar.

Der Melone wird also ein Stück Gewebe entnommen und siehe da – schlimmes Tumorgewebe. Um den zu entfernen, wird in diesem Beispiel allerdings noch einmal der Patient gewechselt. Denn dieser Schritt lässt sich besser an einer dicken, fleischigen Tomate üben. Wie das geht, das zeigt Dr. Johannes Knipps. Und es sieht ganz einfach aus, wie er da am Tisch sitzt, durch das dicke Mikroskop blickt, mit einem Gerät in der einen Hand das Gewebe abtastet, mit einem Sauger in der anderen den Tumor heraussaugt.

Tomaten-OP im Selbstversuch: Schwieriger als gedacht

Doch wer denkt, es sei einfach, darf auch einmal selbst Platz nehmen. Schon das Halten der beiden Geräte stellt sich da als viel schwieriger heraus als gedacht. Und dann durch das Mikroskop schauen und gleichzeitig die Hände steuern – die doch so viel größer sind? Die Tomate der Autorin wäre wohl nicht ohne schwere Sprachstörungen davongekommen. Damit das nicht passiert, findet die tatsächliche Operation am menschlichen Patienten übrigens im wachen Zustand statt. Nachdem der Schädel geöffnet wurde, wird der aufgeweckt, sodass er reagieren kann und die Operateure direkt testen können, in welcher Region sie gerade arbeiten. Denn etwa um das Sprachzentrum zu testen, muss der Patient aktiv mitmachen. Deshalb dauern diese Operationen auch nur etwa zwei Stunden. Dann sei der Patient zu müde – die Stimulation des Gehirns sei anstrengend. Das Obst ist da wohl etwas geduldiger.

Dr. Johannes Knipps bringt die ganze Übungsstrecke auch zur langen Nacht der Wissenschaften ins Haus der Universität mit. Dort können sich am 13. September von 17 bis 24 Uhr auch die Besucher mal an so eine Operation trauen. Adresse: Schadowplatz 14.