Familien Heute bei Mama, morgen bei Papa . Das Wechselmodell und seine Tücken

Düsseldorf · Die SKFM-Familienberatung betreut 500 Eltern in Düsseldorf – Leiterin Petra Evertz sagt, was für Trennungskinder am wichtigsten ist. Und welches Modell unter welchen Bedingungen geeignet ist.

Der regelmäßige Wechsel vom Vater zur Mutter und umgekehrt kann für Kinder eine gute Lösung sein. Er kann aber auch schiefgehen.

Foto: epd/Rolf Zoellner

Wenn sich die Eltern trennen, ist das nicht immer, aber meistens ein Drama für die Kinder. Und es stellt sich die Frage: Wohin mit ihnen? Noch dominiert das „Residenzmodell“, bei dem das Kind bei einem Elternteil, in der Regel ist das nach wie vor die Mutter, aufwächst. Und dem Vater bleibt nicht mehr als die Rolle des Wochenendpapas. Doch auch in Deutschland ist das „Wechselmodell“ (oder auch „Doppelresidenz“) auf dem Vormarsch, politisch und familienrechtlich. Die FDP will es zur Regel machen, Justizministerin Katarina Barley (SPD) unterstützt es: Dabei teilen sich Mutter und Vater im Tages- oder Wochenrhythmus und zu mehr oder weniger gleichen Teilen die Betreuung der Kinder in ihrer jeweiligen Wohnung.

Beinah täglich konfrontiert mit Trennung und Scheidung von Eltern und deren Folgen wird Petra Evertz. Sie leitet die Familien- und Erziehungsberatungsstelle des Sozialdienstes Katholischer Frauen und Männer (SKFM) auf der Heyestraße am Gerresheimer Bahnhof. Mehr als 500 Familien werden hier im Jahr beraten, bei etwa 40 Prozent geht es darum, für Kinder getrennter Eltern möglichst gute Lebenslösungen zu finden.

Beide Elternteile müssen vor allem noch miteinander reden

Petra Evertz leitet die Familien- und Erziehungsberatungsstelle des SKFM am Gerresheimer Bahnhof.

Foto: Alexander Schulte

Evertz betont, dass sie keineswegs gegen das Wechselmodell sei, aber: „Es sollte auf keinen Fall die Norm werden.“ Denn es sei „sehr anspruchsvoll für alle Beteiligten“ und deshalb müssten einige Bedingungen erfüllt sein, wenn es klappen soll. „Das allerwichtigste ist, dass die Eltern noch vernünftig miteinander sprechen“, sagt Evertz. Ständig ist ja etwas abzustimmen: Was steht in der Schule an, naht eine Klassenarbeit, für die geübt werden muss? Was ist im Sportverein, gibt es Termine beim Kinderarzt, Verabredungen mit anderen Kindern, muss noch ein Geschenk für einen Kindergeburtstag besorgt werden, und, und, und.

Eine weitere Grundvoraussetzung ist, dass Mutter und Vater sich auch vor der Trennung beide intensiv um die Kinder gekümmert und so beide ein inniges Verhältnis zu ihnen haben. Dann ist wichtig, dass die Eltern relativ nah beieinander wohnen, damit das Kind in seinem sozialen Umfeld bleiben kann, egal, ob es gerade bei Mama oder Papa wohnt. Und natürlich müssen beide Elternteile entsprechend große und eingerichtete Wohnungen haben, ein Aspekt, warum Kritiker von einem Modell für Gutverdiener sprechen. Das jedoch lässt Petra Evertz so nicht stehen: „Ich kenne durchaus ärmere Familien in Hartz IV, wo es gut funktioniert.“

Wichtiger als der Raum ist die Zeit. An den Tagen mit Kind sollte man nicht gerade 120 Prozent im Beruf geben müssen. Allmählich bieten Unternehmen ihren Mitarbeitern mit Kindern Rabatte bei der Arbeitszeit oder das Arbeiten daheim an, so richtig verbreitet indes sind derlei Modelle nicht.

Spielt das Alter der Kinder eine Rolle? „Ja, am besten eignet sich die Altersgruppe 6 bis 12 Jahre für das Wechselmodell“, sagt Evertz. Bei kleineren Kindern seien kürzere Intervalle hilfreich, also lieber alle drei Tage als einmal in der Woche zu wechseln, weil sie sich schnell entfremden. Ab der Pubertät wiederum wollten sich viele Kinder nicht mehr einem ständigen Wechselplan unterwerfen. Und noch einen Tipp hat die Expertin parat: „Man sollte das Kind nicht am Sonntagabend übergeben, da ist es oft hektisch vor dem folgenden Schultag, besser ziehen die Kinder am Freitag um, vor dem Wochenende.“

Wie gesagt: Auch Evertz begrüßt es, wenn beide Elternteile möglichst viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, „denn sie sind immer beide wichtig für das Kind“. Aber es gesetzlich als Standardmodell zu verankern, wie das in Frankreich, Belgien, Italien oder Schweden längst geschehen ist, sei oft nicht die beste Lösung für die Kinder.

In der SKFM-Beratungsstelle in Gerresheim pflegt man seit Jahren schon eine Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsangebot für Eltern in Trennung oder Scheidung. In Kooperation mit den Anwälten der Eheleute werden dann am Ende oft seitenlange Vereinbarungen unterschrieben, in denen möglichst alles geregelt wird, was es im Sinne der Kinder zu regeln ist – von den Finanzen (wer bezahlt was?) über die Aufteilung von Spielzeug bis zur Gestaltung der Ferien oder Regelungen im Krankheitsfalle von Eltern oder Kindern.

Die kommen übrigens zu einem bestimmten Zeitpunkt mit in die Beratungsstelle. Was wünschen sie sich? Evertz: „Viele finden ein Wechselmodell zunächst mal gerecht, weil die Zeiten für Mama und Papa verteilt werden.“ Eltern dürften aber keinesfalls den Fehler machen, ihre Kinder zu fragen nach dem Motto: Willst du wirklich lieber beim Papa leben? Dadurch gerieten die Kinder in unlösbare Loyalitätskonflikte, sagt Evertz: „Solche Grundfragen müssen schon die Eltern unter sich klären, sie wissen doch am besten, was gut für ihre Kinder ist.“